Archiv des Autors: Martina

Usbekistan

Der Grenzübergang von Turkmenistan nach Usbekistan fühlte sich nach einem Schritt in die Freiheit an! Endlich Handyempfang, Internet, keine Kameras und keine merkwürdigen Verbote. Jedoch trügt der Eindruck etwas, denn bis vor Kurzem gehörte Usbekistan zu den rigideren Reiseländern: mediale Zensur, Registrierungszwang und Visa mit einer Gültigkeitsdauer von maximal 15 Tagen machten Usbekistan insgesamt wenig attraktiv für „normale“ Reisende. In den letzten Jahren allerdings öffnet sich das Land immer mehr für Ausländer_innen. Eine willkommene Veränderung für uns, denn so konnten wir unseren ursprünglich für 15 Tage geplanten Aufenthalt in Usbekistan um einige Tage ausweiten und zwischendurch einen Kurztrip nach Kasachstan machen. 🙂
Die Abschaffung der Visapflicht scheint übrigens zu wirken: Der Tourismus in den alten Städten an der Seidenstraße boomt. Die usbekische Regierung tut einiges, um den Tourismus anzukurbeln – z.B. durch Restaurierungsarbeiten und den Einsatz von Tourist_innen-Polizei (ob die für die Tourist_innen oder für deren Kontrolle ist, haben wir nicht rausgefunden 😀 ). Obwohl während unseres Aufenthalts noch gar nicht Hauptsaison war, sahen und hörten wir auf den Straßen sehr viele Tourist_innen. Die guten und günstigen Hostels waren schnell ausgebucht. Wir mussten uns angewöhnen, Unterkünfte (und Zugtickets) mehrere(!) Tage im Voraus zu buchen.

Die touristischen Attraktionen sind auf hochglanz poliert und auch die Straßen in Usbekistans Städten sind sauber und ordentlich. Der Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass fast alle Autos auf den Straßen weiße Chevrolets sind. General Motors besitzt eine Fabrik in Usbekistan, in der 4 Modelle produziert werden, die hier allesamt mit Stolz gefahren werden. Von den iranischen Verkehrsbedingungen geprägt, konnten wir es gar nicht fassen, dass Zebrastreifen hier wirklich eine Funktion haben und für uns gehalten wurde. Es dauerte ein paar Tage, bis wir die Todesangst und den Laufschritt bei der Straßenüberquerung abgelegt hatten.

Insgesamt waren wir in Usbekistan seeeeeehr faul. Wir waren, wie die meisten Usbekistan-Reisenden, hauptsächlich in den vier großen Städten Khiva, Bukhara, Samarkand und Taschkent und haben dort sehr wenig unternommen. Die Kombination Iran – Usbekistan war für uns wahrscheinlich nicht die Beste. Am Ende unseres Iranaufenthalts war unser Interesse an weiteren Städten inklusive tollen alten Gebäuden auf ein Minimum gesunken. Wir begnügten uns mit knappen Sightseeing-Abstechern und sparten uns viele Eintritte. Im Iran werden die Moscheen genutzt und es wird kein Eintritt verlangt – in Usbekistan handelt es sich eher um Museen, was zu Eintrittsgeldern führt, aber auch den Nebeneffekt hat, dass es dort keine Kleidervorschriften gibt.

Da wir zu faul für Sightseeing waren, nutzten wir die Zeit in Usbekistan ausgiebig für den obligatorischen mittaglichen (Eis-)Kaffee. In Taschkent haben wir einen Beauty-Tag im Schönheitssalon eingelegt: Martina hat eine waschechte postsowjetische Kurzhaar-Föhnfrisur verpasst bekommen, Svenja wurde eine Botox-Behandlung angeboten, die sie dankend abgelehnt hat (für Frauen hier ist Botox spätestens ab 30 Standard). Außerdem war ein Zahnarztbesuch fällig, bei dem es für Svenja nach 1-2 Wochen Zahnschmerzen nun doch eine Füllung gab. Wir wissen nicht genau, ob das in Usbekistan Gang und Gäbe ist, aber die Praxis nutzte ein Behandlungszimmer für mehrere Patient_innen gleichzeitig, zeitweise waren wir zu Dritt.

Unser Fazit zu Usbekistan: Wenngleich Usbekistan wegen unserer Faulheit nicht unser Favorit wurde, denken wir, dass es ein tolles Reiseland ist – vor Allem für diejenigen, die krasse Gebäude und schöne Altstädte im persischen Stil sehen wollen, ohne in den Iran zu gehen. Es ist möglich, binnen kurzer Zeit vieles zu erleben und das Reisen ist hier aufgrund der gut ausgebauten touristischen Infrastruktur unkompliziert und komfortabel – auch lässt sich Usbekistan gut in 10-14 Tagen erkunden und passt somit in den normalen Jahresurlaub.

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Ihr habt vielleicht gemerkt, dass es von uns lange nix neues gab. Das liegt neben unserer Faulheit auch daran, dass unsere ursprünglichen Pläne sich geändert haben. Eigentlich sollte es von Usbekistan aus nach Kirgisistan gehen, um dort einige Wochen auf einem Bauernhof zu verbringen. Wir haben uns jedoch entschiede, getrennt weiterzureisen. Für Svenja bedeutet das eine vierwöchige Reisepause auf dem Bauernhof in der Ukraine mit kurzen Zwischenstopp in Weißrussland und anschließendem Treffen mit ihrer Mutter in Kiew. <3 Danach gehts, diesmal mit kurzem Zwischenstopp in Dubai, nach Indien, wo ihr Vater und Bruder auf sie warten 🙂 Neben Reisepause also viel schöne Familienzeit!
Martina wird der Seidenstraße weiter folgen und entlang der afghanischen Grenze sowie auf dem Pamir Highway durch tadschikistans Bergwelt reisen, bevor es auch sie für eine Reisepause auf einen Bauernhof zieht – in Kirgisistan.

 

So faul waren wir.

Ewige sowjetische Weite in Nukus.

Altstadt in Khiva

Khiva

Souvenirverkäuferin in Khiva

Khiva

Khiva

Kühlschranktransport während unserer Taxifahrt.

Usbekisches Geld. Wir bekamen 100$ in 50ct-Scheinen.

Melonentransport

Eins der usbekischen (Lasten-)Autos. Ein Größenvergleich.

Usbekisches Brot auf dem Bazar

In Bukhara

Der Registan-Platz in Samarkand. Dort wurde ein usbekisches Musikfest vorbereitet.

In Samarkand

Martina frisch nach dem Frisörbesuch (die Haare haben sich inzwischen gelegt).

Eine der Metrostationen in Taschkent.

Metro in Taschkent – Baumwolle ist ein großes Ding in Usbekistan.

Armenien

Wir verließen den Trubel der georgischen Hauptstadt, um nur wenige Stunden später in der friedliche Stille der armenischen Stadt Dilijan anzukommen. Dort verbrachten wir ein paar Tage zwischen Wald und Bergen.
In Armenien finden sich, ähnlich wie in Georgien, trotz der kleinen Fläche, vielseitige malerische Landschaften, schöne Wanderwege und antike Kloster, von denen wir nur einen  Bruchteil gesehen haben und für deren Besuch wir sicherlich ein zweites Mal nach Armenien zurückkehren würden. Insgesamt ließen wir uns von der Ruhe Armeniens anstecken und nutzten so unseren kurzen Aufenthalt hier als Gelegenheit, um einen kleinen Urlaub von der Reise einzulegen. Vor der Abreise aus Deutschland planten wir 3 Wochen in Armenien zu verbringen, da wir jedoch in der Ukraine 2 Wochen mehr als geplant blieben haben wir unsere Zeit in Armenien verkürzt, jedoch mit der festen Absicht wieder zu kommen.

Von Dilijan aus ging es für uns mit dem Bus weiter in die Hauptstadt Jerewan. Dort waren wir motiviert genug, zwischen Faulenzen und Vorbereitungen auf unsere Iran-Reise (Shopping..!) an einer Stadtführung teilzunehmen und das Museum über den Völkermord an den Armenier_innen zu besuchen.
Jerewan hat einen auffallend rosa-pinkigen Teint, was, wie wir später erfuhren, an den besonderen Tuff-Steinen liegt, aus denen die Gebäude hier gebaut sind. Über die Stadt zerstreut sind in den Parks und an öffentlichen Plätzen einige moderne Skulpturen zu sehen, die mein kleines Kunstliebhaberinnenherz höher schlagen ließen. <3 Die Stadt erscheint uns wie ein lebenswerter, moderner Ort, der sowohl den Einheimischen als auch Tourist_innen viel bietet. Die Kommunikation mit den Armenier_innen funktionierte übrigens prima: fast jede Person, der wir begegneten, sprach entweder gutes Englisch oder Russisch (oder beides).

Während unserer geführten Tour durch die Stadt lernten wir, dass die Mehrheit der Armenier_innen aus verschiedenen Gründen im Ausland lebt: zum Beispiel in Russland, den USA, Frankreich, Argentinien,… Von insgesamt ca. 11 Millionen Armenier_innen weltweit leben nur ca. 3 Millionen in Armenien. Der Zusammenhalt der armenischen Gemeinschaft besteht jedoch über die Grenzen hinweg und war für uns auch im Stadtbild sichtbar: Wir kamen unterwegs vorbei an einigen internationalen (religiösen) Organisationen, einer US-Amerikanisch-Armenischen Uni und einer Argentinisch-Armenische Schule. Einer der zentralen Plätze wurde kürzlich nach dem französisch-armenischen Chanson-Sänger Charles Aznavour benannt, der sich politisch für das Land einsetzte.

Unser Besuch im Genoziddenkmal ist vielleicht das Erlebnis, das für mich den bisher tiefsten Eindruck hinterlassen hat. Ich will gar nicht so tief ins Detail gehen, was die Inhalte angeht, denn das Eindrucksvolle war für mich die emotionale Atmosphäre, die während der Museumsführung herrschte. In diesem Museum wurden uns die Schicksale der vielen Opfer des Völkermords auf eine sehr gründliche und explizite Weise nahegebracht, die gleichzeitig von den Geschehnissen distanziert und nah dran war und in mir eine Mischung aus Unbehagen und Anteilnahme auslöste.
Einiges ist sehr gut dokumentiert; es wird genau beschrieben, welches Leid die Opfer durchmachen mussten; wie Städte innerhalb von Stunden vernichtet wurden. Ein Drittel der Fläche der heutigen Türkei war vor dem Genozid von Armenier_innen bewohnt gewesen. Es wurden Bilder gezeigt, deren Härte kaum zu übertreffen ist, die mich fassungslos da stehen ließen – vor Allem, wenn ich daran denke, dass heute noch darum gekämpft werden muss, dass die Welt den Völkermord an den Armenier_innen anerkennt. Und dann, kurz vor Ende der Ausstellung kam ein Moment, in dem sich eine Frau aus einer US-Amerikanischen Reisegruppe meldete, ihr Vater habe das Waisenhaus auf dem Foto erkannt, er habe als Kind dort gelebt, bevor er in die USA geholt wurde. In diesem Moment war es so klar erfahrbar, wie wichtig die Vergangenheit auch für die vielen Generationen danach ist. Und wie wichtig es ist, die Geschehnisse in Erinnerung zu behalten und Ernst zu nehmen. Damit so etwas nie wieder passiert.

 

In den ehemaligen UdSSR Staaten begegnen uns viele verlassene Freizeitparks

Dieses alte Kloster im Dilijan Nationalpark wurde vor allem von Kühen besucht, die Schutz vor der Mittagshitze suchten

Kloster von innen

Ghapama – Gefüllter Kürbis (sehr lecker)

Shopping für den Iran gestaltete sich etwas schwieriger als erwartet. Alles war entweder zu kurz oder sah zu doof aus

Platz der Republik in Jerevan

In Armenien gibt es überall Trinkwasserbrunnen! Ein Leben ohne Plastikflaschen 🙂

Die Konstruktion der Strommasten fanden wir manchmal etwas gewagt…

Genozid-Denkmal in Jerevan

Kaskaden in Jerevan

An den Kaskaden in Jerevan

Grantatapfelblüten

Berge in Meghri

Noch mehr Berge in Meghri

Mit der Fähre nach Georgien

Nach unserem Aufenthalt bei Jenja und seiner Familie in Starosillja ging es für uns mit dem Nachtzug weiter nach Odessa, wo wir unsere letzten Tage in der Ukraine verbrachten. Die belebte Stadt am Schwarzen Meer ist, seitdem die Krim besetzt wurde, das neue Reiseziel für Strandurlaub in der Ukraine. Auch auf ausländische Tourist_Innen scheint man hier zumindest besser vorbereitet als etwa in Kiew. Wir kauften unsere Fährentickets im Büro des Anbieters UkrFerry und wurden dort von einem munteren Mitarbeiter auf Englisch und Deutsch begrüßt.

Am Tag der Abfahrt fuhren wir mit der Marschrutka in die Nähe des Fährhafens. Vor dem Grenzhäuschen lernten wir Lena und Marco aus Nürnberg und Anja und Amrei aus Bern kennen. Mit ihnen haben wir die meiste Zeit auf der Fähre verbracht. Lena und Marco sind von Deutschland aus auf ihren Fahrrädern gestartet und haben vor, damit noch mindestens bis nach Aserbaidschan zu fahren. Anja und Amrei studieren Soziale Arbeit und sind per Anhalter unterwegs zu einer Exkursionswoche in Tiflis. Sonst waren die Passagiere zum Großteil LKW-Fahrer und ein paar Auto- und Motorradfahrer_innen. Unser Zimmer an Board hat uns sehr überrascht – das ist wahrscheinlich die komfortabelste Fähre, auf der wir je  gemeinsam waren! Wir hatten eine eigene Kajüte mit Fenster, Klimaanlage und eigenem Bad und es gab sogar 3 (vegetarische!) Mahlzeiten pro Tag (die uns etwas auf den Magen geschlagen sind, das frische Essen vom Hof fehlt uns sehr).

In Svenjas Fantasie sollte es eine sehr entspannte Fahrt mit viel lesen und Delfinbeobachtung werden. Dieser Plan wurde schon vor der Abfahrt von den ukrainischen Truckern Vladimir und Viktor sowie einer Flasche Wodka über den Haufen geworfen. Der Wodka und die beiden waren jedoch erst der Anfang eines fröhlichen, betrunkenen und vor allem unerwarteten Partyabends auf der Fähre. Wir Touris waren heiß begehrte Trinkkumpan_innen und, dass Martina Russisch spricht, hat alle um so mehr begeistert (im Laufe des Abends wurde ihr Russisch immer besser). Nachdem das Eis erstmal gebrochen war, soffen feierten wir bis in die Nacht in verschiedensten Kajüten und an Deck mit gefühlt allen Truckern. Spannend ist dabei, dass Marco von allen Männern angefasst wurde, bei uns Frauen zum Großteil Abstand gehalten wurde (vielleicht hat Svenjas Fake-Ehering und die Fotos vom Mitbewohner auch abschreckend gewirkt). Martina musste frühzeitig ins Bett (Erkältung), aber zu diesem Zeitpunkt war es schon recht egal, dass wir alle kaum ein Wort miteinander sprechen konnten. Wir hatten einen tollen Abend mit herzlichen Menschen, den wir so schnell nicht vergessen werden!

Die restlichen zwei Tage waren dann eher so wie wir erwartet hatten. Zum Lesen und Delfine beobachten kamen aber noch schöne Gespräche dazu!

Vladimir, Martina und der erste Wodka

Das Sonnendeck

Mit Lena und Marco

Vor der Hafenstadt Batumi

Der Weg ans Festland – Vorbei an den LKWs