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Turkmenistan

Turkmenistan gehört zu den am wenigsten besuchten Ländern der Welt: die aktuellen Besucher_innen-Zahlen liegen bei ca. 20.000 pro Jahr. Zum Vergleich: Mali verzeichnete 2016 193.000 Besucher_innen, Nordkorea ca. 7.000 – Turkmenistan ist also deutlich näher an Nordkorea dran (nicht nur, was Besucherzahlen angeht). Die geringen Zahlen liegen daran, dass Turkmenistan sich stark von der Außenwelt isoliert. Ein Reisevisum gibt es nur mit einer geführten Tour durch das Land und selbst dann ist es mit der Visaerteilung ein bisschen wie Lotto spielen. Eine geführte Tour kam für uns nicht in Frage, so blieb nur das 5-Tages Transitvisum, welches wir in der turkmenischen Botschaft im Iran beantragten. Und siehe da, wir hatten Losglück und haben das Visum bekommen.
Turkmenistan gehört zu den am autoritärsten regierten Staaten der Welt. Bei der Pressefreiheit liegt Turkmenistan sogar hinter Nordkorea, auf dem weltweit letzten Platz. Das Leben der Bevölkerung wird durch Regeln und Gesetze dominiert, die der letzte und der aktuelle Präsident/Diktator aufgestellt haben. Der aktuelle Präsident scheint gegen den letzten ein richtiges Unschuldslamm zu sein. Der Vorgänger benannte Wochentage und Monate nach seinen Familienmitgliedern, verbot Musik im Auto sowie Ballett und Opern. Diese Regeln gelten nicht mehr, weiterhin verboten sind jedoch: schwarze Autos, Goldzähne, Leggins, Satellitenschüsseln, Geldwechsel, etc. An manches wird sich gehalten, andere Regeln werden jedoch konsequent ignoriert (z.B. das Verbot von Satellitenschüsseln).

Trotz all dem: Wir hatten eine gute, spannende und merkwürdige Zeit in Turkmenistan. Zum ersten Mal seit Beginn unserer Reise waren wir über einen längeren Zeitraum nicht nur zu zweit unterwegs, sondern zu dritt. Im Iran, kurz vor Turkmenistan, haben wir uns mit Carlo aus den Niederlanden angefreundet und sind gemeinsam bis Usbekistan gereist.

Das erste Ziel unseres kurzen, aber intensiven Turkmenistan-Aufenthaltes war die Hauptstadt Ashgabat. Die Stadt wird einerseits als „Mamorstadt“ und andererseits als die „Stadt der Toten“ bezeichnet. Beide Bezeichnungen passen zu unserem Eindruck. Turkmenistan hat riesige Erdöl- und Erdgasvorkommen und dementsprechend viel Geld, welches vornehmlich in die Hauptstadt investiert wird. Nämlich vor Allem in Form von riesigen, architektonisch höchst anspruchsvollen Gebäuden aus Marmor und Gold sowie deren Instandhaltung. Insgesamt folgt die Stadt sehr konsequent einem Farbkonzept aus weiß, golden und silbern. Wir finden kaum ein Gebäude, eine Straßenlaterne oder einen Mülleimer, welcher aus dieser Farbpalette sticht und sogar die (wenigen) Autos auf der Straße sind weiß (bis auf Taxen). Die Weite und Leere der Plätze und Parks, die makellose Sauberkeit der Straßen und die unreal-verschwenderisch anmutenden Gebäudekomplexe ließen uns nicht mehr aus dem Staunen herauskommen. Reinigungskräfte und Gärtner_innen waren die einzigen Menschen auf den Straßen, neben zahllosen Polizisten. Einmal beobachteten wir, wie die Rückseiten von Straßenschildern geputzt wurde. Wir konnten uns nicht sattsehen an der Pracht und waren doch eingeschüchtert von der menschenleeren, streng kameraüberwachten Weite.

Nach einem Monat Detox im Iran wollten wir am ersten Abend in Ashgabat eine Kneipentour machen. Direkt nach dem Besuch der ersten Kneipe hörten wir in einiger Entfernung laute Musik mit dickem Bass, deren Ursprung wir gleich aufsuchten, um vor einem Hochhaus zwischen zwei Festzelten eine Gruppe tanzender Frauen zu entdecken. Dank Martinas Russischkenntnissen haben wir erfahren, dass es sich um eine Babyparty handelte, die von der stolzen Oma veranstaltet wurde. Diese lud uns direkt zum mittanzen und -feiern ein! Carlo wurde nach wenigen Minuten ins Männerzelt entführt, wo er 10 Minuten und 7 Schnäpse später wieder raus kam, um uns zu sagen, dass er zum Abendessen bleibt. Auch im Frauenzelt wurden wir mit reichlich Essen versorgt: Reis mit Fleisch, Suppe, Obst, Kuchen, Brot, Salate, jedoch kein Alkohol. Unsere vegetarische Ernährung wird in solchen Momenten der Gastfreundschaft und Höflichkeit wegen verworfen, auch wenn sich der Körper am nächsten Tag ziemlich beschwert. Bis zum Beginn der Sperrstunde (23 Uhr) feierten wir mit der Familie und Nachbarschaft, die uns herzlich in ihre Runde aufgenommen haben. Wer möchte, kann sich dieses Video von Martina beim Tanzen anschauen, um einen kleinen Eindruck zu bekommen.
Neben den wilden Dancemoves haben uns auch die wunderschönen Frauen begeistert. Wir hatten vorab gehört, dass die schönsten Frauen der Welt in Turkmenistan leben, und dem würden wir zustimmen. 95% der Frauen tragen traditionelle bodenlange, farbenfrohe Kleider, die an sich schon ein Blickfang sind und die Frauen noch besser aussehen lassen. Ich habe mir voller Optimismus auch so ein Kleid schneidern lassen… 😀

Nach zwei Tagen voller Staunen, Starren und etwas beklemmter Fassungslosigkeit ging es von Ashgabat aus in die Karakum-Wüste zum Krater von Derweze. 95% des Landes, welches insgesamt die Größe von Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen hat, sind von der Wüste bedeckt. Es war wohl die bisher langweiligste Fahrt unserer Reise, doch es hat sich gelohnt! Der Krater von Derweze ist ein großes Loch mitten in der Wüste. Es hat einen Durchmesser von ca. 70 Metern und steht in Flammen. Ja genau, ein riesiges, brennendes Loch in der Wüste! 1971 wurde bei Bohrungen eine mit Gas gefüllte Höhle angebohrt. Die Bohrplattform brach zusammen und giftiges Gas trat aus. Die Geologen wollten den weiteren Austritt des Gases verhindern und zündeten es an, mit dem Gedanken, dass in ein paar Tagen alles vorbei ist. Und so brennt der Krater seit über 40 Jahren.
Wir trafen weitere Touris am Jurtencamp (vier um genau zu sein, viel los ist da nicht) und verbrachten mit einigen von ihnen einen schönen Abend (inklusive turkmenischem Wein – wir haben aus unserer Fahrt mit der ukrainischen Fähre gelernt). Nach der Zeit am Lagerfeuer (Krater) folgte ein weiteres Highlight: Eine Nacht unter freiem Himmel in der Wüste! Ich habe noch nie so viele Sterne gesehen und da es eine mondlose Nacht war, konnten wir sogar die Milchstraße sehen. Für mich das schönste, was ich bisher auf dieser Reise gesehen habe. Da können weder Moscheen, Kirchen, Ruinen noch Delfine mithalten.

Nach dieser zauberhaften Nacht ging es am nächsten Morgen weiter auf der langweiligen Straße durch die Wüste, bis wir nach knapp 300 Kilometern auf der anderen Seite des Landes ankamen, im historischen Köneürgenc. Die einst prachtvolle Stadt der Seidenstraße ist heute mehr ein verschlafenes Örtchen mit schlechten Lebensbedingungen. Wir waren schockiert über den Unterschied zwischen Stadt und Land. Das Geld, welches in der Hauptstadt so nutzlos ausgegeben wird, könnte hier die Wasserversorgung oder den Straßenausbau finanzieren. Doch der Präsident schert sich nicht sonderlich um die Bevölkerung. Für Bauprojekte in der Hauptstadt werden regelmäßig ganze Dörfer zerstört und zehntausende Menschen umgesiedelt – die Landbevölkerung wird einfach ignoriert.
Auf uns wartete in Köneürgenc, neben historischen Sehenswürdigkeiten, das schrecklichste Hotelbadezimmer unseres Lebens. Das Tor von Derweze wird zwar als Tor zur Hölle bezeichnet, doch unsere Badezimmertür hatte diese Bezeichnung eher verdient. Ich erspare euch die Details und erwähne nur kurz die verschiedenen Körperflüssigkeiten an den Wänden und dem Duschvorhang. 😀 Wir waren froh, am nächsten Morgen auszuchecken und eine Ländergrenze zwischen uns und dieses Badezimmer zu bringen.

Ein Fazit nach 5 Tagen Turkmenistan: Wir sind froh, einen kurzen Einblick in dieses Land bekommen zu haben und waren auch froh, den totalitären Staat wieder zu verlassen und die damit verbundene Beklemmung hinter uns zu lassen. In jedem anderen Land konnten wir uns im Notfall auf Hilfe durch die deutsche Botschaft verlassen und standen übers Internet mit der Außenwelt in Kontakt. Diese beiden Dinge fielen im isolierten Turkmenistan weg.
Betrachtet man die Zeit abgesehen von den politischen Gegebenheiten (soweit das möglich ist), gibt es jedoch ein anderes Bild. Die Menschen, denen wir begegnet sind, waren wieder einmal sehr freundlich, ob es nun die Partygäste waren oder Restaurantbesitzer. Und wir waren froh, nach dem etwas einseitigen Essen im Iran in Turkmenistan die Auswahl zwischen russischer, türkischer und persischer Küche zu haben.

Eine der zahlreichen Parkanlagen in der Wüstenstadt Ashgabat

Riesige Bildschirme mit Werbung oder TV-Shows an öffentlichen Plätzen

Das nationale Teppichmuseum – hier hängt der größte Teppich der Welt.

Auf dem Sockel: eine der goldenen Statuen des alten Präsidenten

Die meiste Zeit ist es hier ziemlich einsam.

Auf den Straßen begegneten wir nur Arbeiter_innen.

Kameras sind wirklich überall

Kitsch im Einkaufszentrum

Kitsch im Café

Am Olympia-Stadion

Das Olympia-Stadion von weitem

Carlo begleitete uns durch Turkmenistan.

Ashgabat bei Nacht.

Der alte Präsident im Olympia-Stadion. Er ist sehr stolz auf seine Stadt.

Das Yurten-Camp am Krater von Derveze.

Hier wohnt ein kleines süßes Dromedar-Baby!

Das Tor zur Hölle von Nahem. Ganz schön heiß hier!

Der Krater von Derveze bei Sonnenuntergang.

Wir verbrachten die Nacht draußen unter dem Sternenhimmel

Die Straßen in Köneürgenc.

Der Eingang zu diesem sehr guten Restaurant in Köneürgenc war nicht leicht zu finden.

In einem historischen Gebäude in Köneürgenc. Die Bilder dienen als Kalender.