Starosillja, so heißt das Dorf in dem wir die letzten zwei Wochen verbracht haben und mit einer wunderbaren Familie auf ihrem Bauernhof leben durften. Schon vor der Abreise aus Deutschland hatten wir die Familie über WWOOF kontaktiert. WWOOF ist eine weltweite Plattform, auf der Öko-Bauernhöfe und Freiwillige, die auf Öko-Bauernhöfen mithelfen wollen, sich vorstellen. Für die Mitarbeit bekommt man von den Höfen Kost und Logie gestellt. Wir erhielten eine Zusage und freuten uns darauf, dort zwei Wochen mitarbeiten zu können. Unsere Hoffnungen: Russisch lernen, in ein komplett anderes Leben reinschnuppern, zur Ruhe kommen, nette Leute treffen, sowie etwas über Landwirtschaft und die Ukraine lernen. Ihr merkt, die Hoffnungen waren hoch angesetzt. Und sie wurden in jeder Hinsicht übertroffen. Wir hatten eine unvergessliche Zeit im schönen Starosillja!
Schon der Weg zum Bauernhof war ein Erlebnis. Zwei Stunden hüpften wir in einer Marschrutka über Straßen voller Schlaglöcher bis wir im Ortskern (am Supermarkt) von Starosillja ankamen. Dort wartete ein recht mürrischer Typ mit seinem uralten Lada auf uns. Es ging weiter auf einer holprigen Straße, die irgendwann zu einem Feldweg wurde und uns gefühlt ans Ende der Welt führte. Nach 15 Minuten hielten wir vor einem Hof, der sehr gemütlich und ein bisschen wie aus der Zeit gefallen aussah. Der Typ entpuppte sich als Jenja, der Landwirt, und die zwei Wochen haben uns gezeigt, wie sehr der erste Eindruck trügen kann, wir haben gemeinsam viel gelacht. Auf dem Hof lebt noch Jenjas Schwester Natalia und die Oma der beiden, Lisa. Auch Natalias erwachsener Sohn Maxim lebt grade für ein paar Monate auf dem Hof, bis es zum Arbeiten zurück nach Polen geht. Nach einem sehr ausgiebigen Abendessen bei der Familie im Haupthaus ging es zu unserem Zuhause für die nächsten zwei Wochen. Wir hatten ein eigenes kleines Haus ganz für uns, etwa 5 Gehminuten vom Bauernhof der Familie entfernt. Das Haus liegt mitten im idyllischen Kiefernwald, hat weder Internet noch fließendes Wasser und war der perfekte Ort um zur Ruhe zu kommen.
Der erste Arbeitstag startete, wie die meisten restlichen Tage auch, um 7:30 Uhr mit dem Frühstück im Haupthaus. Wir haben jeden Tag etwa 5 Stunden gearbeitet. Ob es mehr oder weniger war, hing vor allem vom Wetter und unserem Weinkonsum beim Mittagessen ab. 🙂 Natalia arbeitet unter der Woche in der Gemeindeverwaltung im Dorf und die Oma machte tagsüber meist ihr Ding, sodass wir den Großteil der Zeit mit Maxim und Jenja verbrachten. Wir haben viel im Gewächshaus gearbeitet, Tomaten umgepflanzt, Erdnüsse und Getreide gesät, Unkraut beseitigt, Pflanzen gegossen, Stroh auf den Erdbeeren verteilt,… Insgesamt keine so harte Arbeit und wir haben viel über Landwirtschaft gelernt. Viel mehr als die Arbeit wird uns aber die Zeit mit den Menschen (und den Tierbabys!) im Gedächtnis bleiben. In der Mittagspause haben wir teilweise stundenlang Karten gespielt, mit Max haben wir Schimpfwörter ausgetauscht (an diese Erweiterung unserer Russischkenntnisse hatten wir gar nicht gedacht), zum Mittagessen gab es selbstgemachten Wein, Svenja hat mit Jenja die letzten Folgen Game of Thones geschaut (Russisch mit englischen Untertiteln) und Martina hat mit Oma Lisa die Leidenschaft für süßes Hefebrot geteilt (es gab da so ein Geheimversteck). Abends kam ab und zu Ljonja (den wir später, nachdem er Svenja mehrmals mit Sveta, Xenia und anderen russischen Namen ansprach, Lothar nannten), ein Freund der Familie, zu Besuch, um mit uns auf deutsch über Autos zu sprechen. Er war nämlich vor 10 Jahren einige Male in Deutschland, um Autos zu kaufen, die er in der Ukraine weiterverkauft hat. Mit seinem gelben Mercedes Sprinter hat er uns an einem Sonntag gemeinsam mit Natalia und Max zu einem Ausflug nach Korsun-Schewtschenkiwskyj begleitet. Die Stadt liegt ca. 30km von Starosillja entfernt (bedeutet bei den Straßen hier 1 Std. Fahrt) und hat eine sehr schöne Parkanlage mit einem kleinen Fluss, an dem wir den Tag verbrachten.
Die Familie hat uns mit offenen Armen empfangen und uns mit ihrer Energie, Lebensfreude, Offenheit, ihrer Warmherzigkeit und ihrem Lebensstil begeistert. Fast alles, was wir gegessen und getrunken haben, kam vom Hof oder den Nachbarn; nur ein paar Dinge (Kaffee, Nudeln, Zucker,…) werden eingekauft. Kohl, Äpfel, Möhren, Rote Beete, Zwiebeln und Kartoffeln werden über den Winter eingelagert und bis zur nächsten Ernte gegessen. Obst und Gemüse jeder Art werden eingekocht. Milch, Joghurt und Käse kommt von den eigenen Ziegen, die Eier von den Hühnern, Salat wird morgens aus dem Gewächshaus geholt. Sogar der Wein zum Mittagessen ist selbstgemacht. Jede Mahlzeit war ein Fest! Wir werden das sehr vermissen.
Zum Schluss noch ein Super-Geheimrezept für die beste Medizin bei Erkältung: Marmeladentee!
Man nehme 4-5 TL Marmelade und gieße sie in einer Tasse mit heißem Wasser auf. Dann heiß löffeln. Das ganze 3x am Tag wiederholen. Svenja hat’s geschmeckt und sie ist wieder gesund geworden. 😉