Seit einigen Jahren schon möchte ich in den Iran reisen! Die vielen Reiseberichte von Bekannten, die so gar nicht zu den Nachrichten über dieses Land passen wollten, haben den Iran zu meinem absoluten Wunsch-Reiseland gemacht. Ich wollte selber herausfinden, was denn nun eher zutrifft. Als wir also begannen unsere Reise zu planen, war klar, dass der Iran Teil davon sein muss.
Nun sind wir 3,5 Wochen hier und ich kann sagen, der Iran hat mich verzaubert, beschämt, begeistert und traurig gemacht. So einfach wie erhofft ist das mit „Wahrheit“ nicht, Widersprüche gehören hier zum Alltag und bestimmen das (Doppel-)Leben.
Von Anfang an… Nachdem wir unser Visum für den Iran erst beim 3. Antrag bekommen haben (ein Umstand, den wir mit deutschem Pass gar nicht gewohnt sind), dachten wir, auch die Einreise wird schwierig und mit langen Gepäckkontrollen sowie Befragungen verbunden sein. Nix da! Es wurde gefragt, was ich arbeite. Sonst nichts. Da Martina wohl vertrauenswürdiger aussieht, blieb ihr sogar diese Frage erspart und die Einreise dauerte inklusive Anstehen vielleicht 10 Minuten.
Die ersten paar Tage verbrachten wir in Tabriz im Norden des Irans. Hier lernten wir zum ersten Mal die Hilfsbereitschaft und Offenheit der Iraner_innen kennen. Eine einfache Frage nach dem Weg führt dazu, dass wir bis zur Bushaltestelle gebracht werden. Der Spaziergang über den Bazar endet im Antiquitätengeschäft mit Gesprächen über das Leben in Deutschland. Beim Überqueren der Straße heißen uns fremde Menschen im Iran willkommen, während sie uns mit ihrem Motorrad fast überfahren. Im Stadtpark bleibt man stehen, um uns zu sagen, wie schön es ist, dass wir da sind. Abseits der klassischen Touristenziele sind Ausländer_innen eher selten und die Freude über Besuch im eigenen Land ist umso größer. „Ausländer_in“ ist hier kein Schimpfwort, sondern etwas positives. Gäste sind willkommen und gerne gesehen. In solchen Momenten denken wir beschämt an das deutsche Verständnis von Gastfreundschaft.
Nachdem wir eine Nacht im eher unspektakulären Ardabil verbracht haben, ging es weiter nach Rascht. Auf der Busfahrt dorthin wurden wir bei einer Toilettenpause von zwei etwa 50-jährigen Frauen gesehen. Die beiden waren mit ihrem Privatauto unterwegs und folgten uns in den Bus. Was in Deutschland merkwürdig wäre, erscheint uns nach wenigen Tagen im Iran schon normal. Nach einem kurzen Gespräch in gebrochenem Englisch zogen die beiden von dannen, um wenige Minuten später wieder zu kommen und uns zum Essen bei sich einzuladen. Nun doch etwas überrascht, aber auch neugierig, haben wir zugesagt. Zwei Tage später wurden wir vom Hotel abgeholt. Nach einem ausgiebigen Fotoshooting auf dem Zentralplatz ging es ins Privathaus. Die islamische Kleiderordnung für Frauen (Kopftuch, lange Hose, lange Ärmel, Po mindestens mit zwei Schichten Kleidung bedeckt, alles möglichst unförmig) gilt zuhause nicht: Frauen nehmen sich Wechselkleidung mit, um nicht die ganze Zeit lange Kleidung tragen zu müssen. Extra für uns wurde sehr lecker und vegetarisch gekocht! Wir haben uns unterhalten, gemeinsam Musik gehört (zu unserem Leidwesen ist Helene Fischer eine der bekanntesten deutschen Sängerinnen und kommt beim Vorführen deutscher Musik immer wieder zum Vorschein…) und eine entspannte Zeit miteinander verbracht.
Rascht hat touristisch eigentlich wenig zu bieten und geplant war es, dort zwei Nächte zu verbringen, um dann weiter zu reisen. Doch wie so oft bei uns kam es anders: Wir blieben fünf Tage und hätten die lebendige, junge Stadt sowie ihre Bewohner_innen wohl auch noch länger genießen können. Nur „leider“ ist der Iran groß und unsere Neugier auch, so dass wir doch weitergezogen sind, wenn auch schweren Herzens.
Unsere nächste Station war Teheran. Wie wohl fast jede Hauptstadt ist auch Teheran laut, groß und chaotisch. Im Zuge der Anonymität der Großstadt herrscht auch etwas mehr Freiheit als anderswo, so zumindest unser Eindruck. In Teheran rutscht das Kopftuch jedes Jahr ein bisschen weiter nach unten und im Frauenabteil der Metro nehmen einige Frauen das Kopftuch wie selbstverständlich ab. Doch das ist nicht das einzige, was uns in der Metro aufgefallen ist. Die Metro ist ein wahres Shoppingparadies! An jeder Haltestelle steigen mehrere Verkäufer_innen ein, die von Socken über Kaugummis bis zu Handykabeln so ziemlich alles verkaufen, was man braucht oder eben auch nicht. Wir waren überrascht, wie fleißig geshoppt wird. Dabei ist es überall möglich mit Karte zu zahlen! Neben den fliegenden Händler_innen der Metro bieten auch die LKWS, die am Straßenrand Wassermelonen verkaufen, Kartenzahlung an. Da 1€ etwa 135.000 Rial entspricht (Schwarzmarktkurs) und man dementsprechend immer einen dicken Batzen Geld dabei haben müsste, ist die häufige Kartenzahlung verständlich. Wir sind trotzdem auf die Zahlung mit Bargeld angewiesen. Der Iran ist im Zuge der jahrelangen Sanktionen komplett vom globalen Finanzmarkt abgeschottet. Unsere Kreditkarten funktionieren hier nicht. In Armenien und Georgien haben wir uns mit großen Dollar-Reseven eingedeckt, die wir nach und nach umtauschen und so jedes Mal zu Millionärinnen werden.
Von Teheran aus folgen wir der klassischen Touristenroute. Wir wanderten durch die herrschaftlichen Villen in Kashan, besuchten die historischen Bauten und Parks in Isfahan, ließen uns vom Lichterspiel in der pinken Moschee in Shiraz verzaubern und bestaunten den Sonnenuntergang in der Wüste bei Yazd. Nebenbei hatten wir oft die Chance, in den Alltag der Iraner_innen reinzuschnuppern, sei es durch den Besuch eines Frauenschwimmbads, Gespräche mit Unbekannten auf der Straße oder Begegnungen mit Couchsurfer_innen.
Unsere Zeit im Iran nähert sich nun dem Ende, doch wir hoffen sehr, nochmal zurück zu kommen. Zuviel ist hier noch zu entdecken! Da wir bereits in der Mitte des Landes Temperaturen von über 45°C hatten, haben wir uns gegen einen Besuch der südlichen Regionen am persischen Golf entschieden und auch Kurdistan im Nordwesten des Landes ist noch ein weißer Fleck auf unserer Landkarte.
Nachdem wir den Iran nun selbst erleben durften ein Fazit: Ein Beitrag reicht überhaupt nicht aus, um unseren Erlebnissen und Eindrücken vom Iran gerecht zu werden – wir schreiben fleißig an einem Weiteren. Wir fühlten uns während der gesamten Zeit im Iran absolut sicher! Das Überqueren der Straßen und auch einige Autofahrten brachten uns dem Tod gefühlt ein bisschen näher, doch abseits davon hatten wir nie Angst um uns und unsere Wertsachen. Auch Vorurteile über iranische Männer, die uns im Vorfeld oft begegnet sind, können wir nicht bestätigen. Besonders im Vergleich zu den georgischen Männern haben wir den respektvollen Umgang zwischen den Geschlechtern hier sehr genossen. Im Gegensatz zu den anderen Ländern haben wir auch am iranischen Nachtleben teilgenommen. Wir hätten nicht gedacht, dass wir ausgerechnet im Iran bei einer Privatparty dabei sein und regelmäßig nach 1Uhr nachts den Weg zurück zum Hotel antreten würden. Auch überrascht waren wir davon, wie einfach das Reisen ist. Viele Iraner_innen sprechen sehr gutes Englisch und auf den Straßen wurden wir oft auf Deutsch angesprochen, ob wir Hilfe brauchen. Die Sehenswürdigkeiten im Iran lohnen sich und begeistern durch ihre Vielfalt, Pracht und oft auch Einzigartigkeit. Und obwohl es so viel Wundebares zu sehen gibt, hatten wir einige Highlights für uns ganz alleine, denn Tourist_innen verirren sich in den Sommermonaten selten in den Iran.
Neben viel Begeisterung, Zauber und erlebter Gastfreundschaft nehmen wir aber auch ein paar negative Eindrücke mit. Die Kleiderordnung hat uns sehr genervt, dabei sind die langen Sachen und das Kopftuch gar nicht so sehr das Problem (gegen die Sonne ist es sogar ganz praktisch), viel mehr hat uns das Gefühl der fehlenden Freiheit und die Fremdbestimmtheit gestört. Diese beiden Gefühle traten im Alltag häufiger auf und führten auch zu gelegentlicher Unsicherheit. Traurig hat uns gemacht, wie ausweglos die Situation im eigenen Land vielen jungen Menschen erscheint. Uns haben die Gesetze auf unserer kurzen und freiwilligen Reise das Land bereits sehr eingeschränkt und gestört. Unvorstellbar ist es für uns, wie es ist jeden Tag damit leben zu müssen und tagtäglich Gesetze zu brechen, selbst wenn es nur der Besuch von verbotenen Internetseiten wie facebook und youtube ist.
Trotz dieser negativen Eindrücke haben wir unsere Zeit sehr genossen und sind dankbar für die vielen Eindrücke, Erlebnisse und Begegnungen. Wir haben gesehen, dass der Iran so viel mehr zu bieten hat als negative Schlagzeilen und einseitige Nachrichten: historische Bauten, pulsierendes Leben, Naturhighlights und vor allem wunderbare Menschen.
Liebe Svenja, liebe Martina,
vielen Dank, dass ich an Euren Reisen teilhaben darf. Sehr faszinierend finde ich den Iran-Bericht. Ich hatte schon von anderen gehört, wie unglaublich gastfreundlich dieses Land ist. Nun bestätigt Ihr dieses auch. Trotzdem bleibt natürlich immer eine Gefühl des Unbehagens, wenn man zwei junge europäische Frauen allein in diesem Land weiß (Vorurteile – aber davon könne wir uns schwer trennen). Ich werde mich Stück für Stück weiter in Euren Berichten verlieren 🙂 ! Bleibt gesund auf Eurer Reise und habt weiterhin so tolle Erlebnisse. Melde mich gelegentlich wieder!
Ganz liebe Grüße
Martina Langer