Eigentlich wollte ich nach meiner Zeit in Thailand nach Myanmar und hatte sogar schon das ausgedruckte Visum dabei. Doch in Thailand hab ich eine nette Reisebekanntschaft gemacht, die auf jeden Fall nach Laos wollte und habe darum meine Pläne geändert. Seit Wochen spukte mir die Idee im Kopf herum, mit dem Motorrad weiter zu reisen. Da vietnamesische Motorräder zwischen Vietnam, Kambodscha und Laos relativ unkompliziert hin und her reisen können bot sich Laos als nächstes Ziel an. Außerdem hatte ich in Thailand ja eher meine Schwierigkeiten mit den anderen Reisenden, was die schöne Begegnung noch wertvoller gemacht hat. Von Thailand aus ging es für mich also nach Laos und ich habe es keine Sekunde bereut! Über Land reiste ich im Norden nach Laos ein. Reisebekanntschaft Güney wartete zu diesem Zeitpunkt bereits drei Tage in einer total langweiligen Grenzstadt auf mich. Vor Ort war er schon bekannt und niemand hatte ihm geglaubt, dass ich wirklich noch komme đ Trotz seiner Langeweile verbrachten wir eine weitere Nacht im unspektakulären Ban Houayxay. Da ich in den letzten 36 Stunden über 1000km in Bussen zurückgelegt hatte brauchte eine kurze Pause. Doch dann begann unsere Reise durch Laos!
Die erste Hürde unserer Motorradreise war das Fehlen eines Motorrads! Einige Reisende kaufen in Vietnam ein billiges Motorrad und fahren durch Kambodscha nach Laos oder eben andersrum. Der Markt ist also voll von billigen Motorrädern, theoretisch… In Luang Prabang, einer vom Kolonialismus stark geprägten Stadt und dem ersten Ziel unserer Reise, spazierten wir von Hostel zu Restaurant, von Restaurant zu Kneipe,… und fragten nach Motorrädern. In Deutschland würde mir schon die Suche über Zeitungsanzeigen altmodisch vorkommen, doch hier gibt es außer ein paar facebook Gruppen von Backpacker_innen keinen Online-Markt wie ich ihn kenne. Also einfach voller Optimismus rumfragen und gucken, was kommt. Mal wurden wir direkt mit dem Roller zur Besichtigung gefahren (zu 3. auf einem). Doch meistens schüttelten die Leute nur den Kopf – kein Markt für Motorräder in der Stadt. In der Hauptstadt wurde uns größerer Erfolg vorhergesagt, da wollten wir aber nicht hin! Nach einigen Tagen suchen, schon etwas verzweifelt, fanden wir endlich eine günstige chinesische Honda Win mit vietnamesischen Papieren! Und so kam ich zu meinem neuen Motorrad, liebevoll Möhrchen genannt. Das Möhrchen war jedoch nicht in bestem Zustand und die erste Tour führte uns mit lautem Knattern zur Werkstatt (Spoiler: Dies sollte nicht der einzige Werkstattbesuch bleiben).
Als wir das Motorrad zum Mechaniker brachten wartete die nächste Herausforderung auf uns. Mit Google-Übersetzer, Zeichnungen, Händen und Füßen verständigten wir uns über die nötigen Reparaturen und Preise – ohne selbst zu wissen was eigentlich alles kaputt ist. Mein nagelneues Motorrad war eine Ansammlung von Problemen. Lenkrad nicht gerade, Schaltung funktioniert nicht, Auspuff muss neu, Ölwechsel war wahrscheinlich schon vor 1000 km dringend notwendig, Nummernschild nicht angebaut (und auch nur ein laminiertes, selbst bedrucktes Blatt Papier), Kupplung ging nicht,… Neben den ganzen Problemchen wollten wir auch noch ein Gestell für unsere Rucksäcke. Insgesamt also einige Baustellen. Alles jedoch kein Problem: Morgen um 17 Uhr sollen wir das Motorrad abholen. Kosten unter 90âŹ. Klang gut für uns.
Am nächsten Tag waren wir also pünktlich um Punkt 17 Uhr beim Mechaniker. Einige Veränderungen waren direkt sichtbar, das Gestell fehlte aber noch. Um 19:30Uhr sollen wir wieder kommen.
Als wir um 19:30 Uhr ankamen wurden wir auf zwei Stühle gesetzt und er ist mit dem Motorrad davon gefahren. Für uns gabs Kekse und Wasser. Zwar nett, spricht aber auch für eine längere Wartezeit. Irgendwann gingen wir in der nächsten Straßenküche Abendbrot essen, anschließend wurden wir mit noch mehr Keksen in einen leeren Frisörsalon gesetzt…
Nach 4 Stunden Warten konnten wir um 23:30 Uhr das sehnsüchtig erwartete Motorrad in Empfang nehmen! Die Freude war groß und die Müdigkeit wie weggeblasen. Mit dem Motorrad bekamen wir auch eine ganz neue Reisefreiheit! Jetzt ging es so richtig los! Die folgenden drei Wochen reisten wir 1500km durch Laos und durchquerten das Land von Norden nach Süden, auf unserem Möhrchen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h (bergab, mit Rückenwind und viel Optimismus…).
Und Laos hat mich begeistert! Die Reise führte nicht nur durch ein fremdes Land mit anderer Landschaft, neuem Essen und gewöhnungsbedürftigen Straßen, sondern gefühlt auch in eine andere Zeit! Kolonialismus, Besatzung durch Japan, nochmal Kolonialismus, Vietnamkrieg und Kommunismus haben das Land in den letzten 130 Jahren geprägt. Gefühlt steht im Großteil des Landes die Zeit seit Jahrzehnten still. Laos ist ein Land im Dornröschenschlaf!
Passend dazu sahen wir jeden Tag Menschen am Wegesrand in für uns möglichen und unmöglichen Positionen schlafen. Mal in einer Hängematte vorm Haus (möglich), mal beim kurzen Stopp unterm Baum auf dem Motorroller (vorstellbar) und auch im Stehen an eine Mauer gelehnt mit Kind auf dem Rücken (unmöglich). Neben schlafenden Menschen in diesem verschlafenen Land gab es unzählige andere Besonderheiten im Vorbeifahren zu sehen: Webstühle vor den Häusern, Kinder mit Bisamratten an der Leine, Menschen die ihre Kühe spazieren führten, Familien die uns im Vorbeifahren zuwinkten,… Jeden Tag schätzen wir uns glücklich so viel Außergewöhnliches im unscheinbaren Alltag entdecken zu können! An zwei Tage hat es heftig geregnet und wir konnten nicht weiterfahren, dafür sind wir durch die „Stadt“ spaziert. Doch abends waren wir voller Begeisterung über die Schönheit des Landes und schwärmen vom besten Tag unserer Reise! Laos ist kein Land der Tempel, Küsten, Museen oder anderer Highlights und doch hat es mich völlig in seinen Bann gezogen mit seiner alltäglichen Besonderheit!
Für die Menschen selbst ist der Stillstand im eigenen Land natürlich nicht so romantisch und spannend wie für mich, sondern erschwert das Leben ungemein. Da Laos kaum Industrie hat und der Versuch das Land mittels Wasserenergie zur „Batterie Asiens“ zu machen, nach einem Dammbruch aufgegeben wurde, gibt es wenig Arbeit im Land. Die meisten Menschen arbeiten in der Landwirtschaft und hinter fast jedem Haus haben wir einen kleinen Gemüsegarten zur Selbstversorgung entdeckt. Da die Landwirtschaft Lebensgrundlage ist, arbeiten auch Kinder und Jugendliche mit, was den Schulbesuch unmöglich macht. Doch die Landwirtschaft ist kein einfaches Geschäft. Laos ist das am schwersten bombardierte Land der Welt. Neun Jahre lang warfen die USA alle acht Minuten eine Flugzeugladung Bomben über Laos ab. Insgesamt zwei Millionen Tonnen Bomben. Jede dritte Bombe explodierte nicht und so ist der Boden heute noch voller Blindgänger. Der Krieg ist zwar vorbei, doch noch immer sterben Menschen daran. Wie soll sich das Land jemals erholen? Die Laot_innen sind auf jeden Fall erfinderisch. Neben den Bildern auf Warnschildern und Steinen im Boden, um die sicheren Gebiete zu markieren, ist der Krieg auch durch Bombenreste überall präsent: als Gartenzaun, als Pfeiler fürs Haus, als Boot, eingeschmolzen als Schmuck, Besteck,… So begleitete uns ein längst vergangener Krieg auf unserer Reise durch Laos, ein weiterer Aspekt der Zeitreise.
In Laos konzentriert sich der Tourismus auf wenige Orte und da wir zwei davon (Hauptstadt Vientiane und Backpacker Hotspot Vang Vieng) weg gelassen haben, waren wir öfters die einzigen Touris im Ort. Das führte zu spannenden Begegnungen und Herausforderungen! Ein Beispiel: Im Restaurant wurde uns sehr freundlich die laotische Karte gereicht. Leider verstanden wir kein Wort und versuchten auf Englisch+ein paar Wörter Lao zu bestellen. Eine sehr freundliche, aber für uns unverständliche Antwort kam zurück. Wir versuchten es also nochmal mit unserem Kauderwelsch. Der Mensch im Restaurant verstand dann, dass wir nix verstehen und kein Wort Lao können. Das war dann alles zu anstrengend und wir wurden komplett ignoriert. Das ist so oder so ähnlich mehrfach passiert und war eigentlich ganz lustig, allerdings führte es auch zu unzähligen Nudelsuppen (das konnten wir auf Lao sagen). Erlebnisse dieser Art machen auch deutlich, dass die Menschen nicht so auf Tourismus und größtmöglichen Gewinn aus sind. In Nordindien würde wahrscheinlich der Cousin einer Bekannten davon der Schwager oder sonst jemand zum Übersetzen organisiert werden um das Geschäft zu Stande zu bringen. In Laos lässt man es dann halt bleiben. Nach dem doch sehr „service-orientierten“ Thailand, in dem für Geld alles möglich ist und die Freundlichkeit eher unecht wirkt, fand ich die ruppige Ehrlichkeit richtig angenehm. Manchmal wurden aber doch alle Hebel für uns in Bewegung gesetzt. Wir wollten beim Marktbesuch gerne gekochte Eier für unser Mittagessen kaufen. Gabs natürlich nicht, wer kauft schon gekochte Eier?! Ein Restaurantbesitzer, der eigentlich gar nichts mit Ei im Angebot hat, präsentierte uns 10 Minuten nach unserer Anfrage frisch gekochte Eier đ
Ein Fazit zu Laos: Auch wenn Laos nicht die Strände Thailands, die Tempelanlagen Kambodschas oder das Essen Vietnams hat, hat es doch etwas zu bieten: Seinen ganz eigenen Charme! Hektik scheint in dem Land ein Fremdwort zu sein und die Ruhe wirkt ansteckend auf Besucher_innen. Wo in andern Ländern einem Highlight nach dem anderen hinterher gejagt wird, kann man sich in Laos einfach treiben lassen und so ganz andere Reiseerlebnisse haben. Für alle die auf Komfort verzichten können und die gerne abseits der großen Touriströme unterwegs sind lohnt sich Laos auf jeden Fall! Da nach Thailand nun auch die anderen Länder der Region immer mehr von klassischen Pauschalreisenden entdeckt werden, sollte man die Reise nach Laos aber nicht unbedingt erst in 10 Jahren machen.
Zu meiner Begeisterung von Laos trägt vermutlich auch bei, dass ich endlich wieder Motorrad fahren konnte (auch wenn meine Maschine in Deutschland deutlich sportlicher ist) und wir einfach stoppen konnten, wo es uns gefiel. Auch Güney hat meine Reise durch Laos noch besser gemacht. Ist er gefahren (ohne Führerschein…) konnte ich entspannt die Umgebung genießen und obwohl wir an sehr einsamen Orten waren, waren wir nie alleine. Ich merke auch immer wieder, wie mir das Reisen hilft Vorurteile zu überwinden. In Deutschland hätte ich mich wohl nie mit Güney angefreundet. Zu Studienzeiten war er Verbindungsmitglied, redet er von seinem alten 3er BMW bekommt er leuchtende Augen und er steht auf Deutschrap – alles eher abschreckend (sorry Güney :-* ). Auf unserer 21-stündigen gemeinsamen Busfahrt in Thailand hatten wir aber keine andere Wahl die Chance uns trotz der vielen Unterschiede besser kennenzulernen und haben festgestellt, wir können trotz seines schlechten Geschmacks befreundet sein đ