Begegnungen im Iran

Wir hatten vorab gehört, dass sich das öffentliche Leben stark vom dem unterscheidet, was privat passiert. Um auch einen Blick hinter die Kulissen des durch die Regierung/Religion/Politik streng geregelten Straßenlebens werfen zu können, haben wir uns im Iran mehrfach über die Internetseite couchsurfing.com mit Leuten verabredet und auch Übernachtungsmöglichkeiten gefunden. Doch auch auf der Straße und durch Kontakte in Deutschland haben wir wunderbare Menschen getroffen!

Couchsurfing ist im Iran illegal und einige andere Dinge und Gespräche, von denen wir hier berichten werden, auch. Darum gibt es keine Fotos, Namen und konkrete Orte zu unseren Bekanntschaften.

Da Männer und Frauen sich nicht berühren dürfen, ist auch das Händeschütteln zur Begrüßung ein Tabu. Das dachten wir zumindest, bis wir den ersten Couchsurfer trafen, der uns zur Begrüßung freudig die Hand entgegen streckte. Es folgten zwei Abende mit Gesprächen über Politik, Geschichte, Religion und Leben im Iran sowie anderswo. Hier hörten wir zum ersten Mal vom Doppelleben der Menschen. Unser Bekannter führt sogar mehr als zwei Leben. In den letzten drei Jahren hat er sich mit knapp 200 Ausländer_innen getroffen, verbotene Gespräche geführt und so seinen Blick auf die Welt verändert. Gleichzeitig leistet er seinen Militärdienst bei der Revolutionsgarde und ist dort der regimetreue Soldat. Beim Spaziergang mit uns durch die Straßen beobachtet er unauffällig die Umgebung und Menschen um uns herum. Als er am nächsten Tag beim Militär von einem Kollegen auf uns angesprochen wird, der uns gemeinsam gesehen hat, hat er schon eine Geschichte parat. Neben diesen zwei Leben gibt es noch den braven Sohn, den gottesfürchtigen jungen Mann auf der Straße und wer weiß welche Versionen im restlichen Alltag. Im Iran so weiterzuleben scheint ihm unmöglich. Zu sehr müsste er sich verstellen und gegen seine Überzeugungen handeln. Ein Leben außerhalb des Irans scheint ebenfalls unmöglich, wohin soll er? Ziemlich viele Sorgen für einen gerade mal 19-jährigen.

Unsere nächste Begegnung mit Couchsurfern läuft ganz anders und hat doch Parallelen. Diesmal trafen wir eine ganze Gruppe junger Menschen, denen es herzlich egal war, ob wir gemeinsam gesehen werden. Der Militärdienst liegt hinter ihnen, sie haben bereits Jobs und sich mit den Widersprüchen in ihrem Leben abgefunden. Auch wenn sie es sich anders wünschen würden, machen sie das Beste aus dem, was sie haben. Wichtig ist ihnen, was wir später über den Iran erzählen werden: Wird es eine Geschichte über Terror und Angst oder berichten wir über Menschen, Leben und Erlebnisse? Wir verbrachten 24 gute Stunden miteinander, die geprägt waren von sehr gutem Kaffee, einem frisch verheirateten Ehepaar, bei dem wir übernachten (die beiden strahlen richtig als sie uns Fotos der Flitterwochen in Thailand zeigen) und einer Leichtigkeit, die wir bei unserer letzten Begegnung nicht so gemerkt haben.

Für das nächste Ziel war eigentlich kein Treffen geplant. Planlos schlenderten wir kurz nach unserer Ankunft durch die Fußgängerzone. Es war 23 Uhr und wir erwarteten eigentlich nicht mehr viel, doch dann haben uns zwei junge Menschen „verfolgt“ und  zum Tee eingeladen. Ich war eigentlich schon müde, doch Martina noch unternehmungslustig und so nahmen wir die Einladung an. Was ein Glück! Die Begegnung hat uns einige der schönsten Momente im Iran beschert! Die beiden gehören zu einer größeren Gruppe Künstler_innen, mit denen wir einen großen Teil der kommenden Tage verbrachten. Neben Kunstausstellung, Essen gehen, Privatparty und Ausflügen aufs Land haben wir vor allem die ehrlichen Gespräche genossen. Wir haben erfahren, wie es mit Beziehungen und Sex vor der Ehe im Iran aussieht: Für die meisten Standard, jedoch ausschließlich im Geheimen und dementsprechend oft mit Lügen, Druck und auch Angst verbunden. Die Pille und die Pille danach gibt es rezeptfrei in der Apotheke, sofern direkt in Bar gezahlt wird (mit ausreichend Geld ist alles im Iran möglich). Dafür kann ein Besuch beim Frauenarzt Angst und Probleme machen. Wenn über die Versicherung abgerechnet wird, und der Arzt/Ärztin feststellt, dass die Patientin, obwohl sie unverheiratet ist, bereits Sex hatte, könnte das an die Familie oder öffentliche Stellen weitergeben werden. Insgesamt sind viele Dinge, die uns selbstverständlich und alltäglich erscheinen, mit Angst und Verboten verbunden. So wird jeder Zentimeter Kopf ohne Tuch, jeder gerauchte Joint, jedes Bier und jede Berührung auch zur kleinen Rebellion gegen die Regierung. Unterstützung bekommt diese Künstlertruppe von einer Deutsch-Iranerin, die mit ihrem Garten außerhalb der Stadt ein Stückchen Europa und Freiheit ermöglicht. Wir genoßen die Tage in vollen Zügen, nur zum Sightseeing kamen wir nicht. Aber unser tatsächliches Programm war so viel besser! Ein bitterer Beigeschmack bleibt jedoch auch bei dieser Begegnung zurück, trotz der Lebensfreude und Freiheit im Kleinen, sind auch innerhalb dieser Gruppe alle unzufrieden mit dem politischen System und sehen wenig Zukunftsperspektiven für sich.

Die nächste wunderbare Begegnung wurde nicht durch den Zufall, sondern meinen Vater organisiert. Wir trafen die Frau seines Arbeitskollegen in Teheran, wo sie mehrere Monate im Jahr ihre Familie besucht. Es war ein Tag voller Herzlichkeit, Energie, Essen und weiterer Einblicke, die wir alleine gar nicht bekommen hätten: zum Beispiel ein Besuch im Frauenschwimmbad. Auf der Straße dürfen Frauen weder Singen noch Tanzen und durch die islamische Kleiderordnung sind zusätzlich alle Damen stark bekleidet. Im Schwimmbad hat sich uns eine andere Welt aufgetan! Jedes deutsche Schwimmbad ist eine Trauerfeier dagegen. Es wurde getanzt, gesungen und natürlich auch geschwommen. Wieder einmal zeigt sich, wie anders das Leben hinter verschlossenen Türen doch ist, wobei es in diesem Fall ein öffentliches Schwimmbad war.

Neben vielen Eindrücken die so gar nicht zum (unserem?) öffentlichen Bild des Irans passen, sind wir natürlich auch Menschen begegnet, die die islamischen Vorschriften gut finden und einhalten. Ein Mann, der Deutsch kann, hat uns erzählt, wie wunderbar seine Regierung ist. Ein Ehepaar – die Frau ist islamische Religionslehrerin – hat uns einen Tag unter ihre Fittiche genommen, nachdem wir erzählt haben, dass wir in Deutschland für die Kirche arbeiten. Die Begegnungen waren, wie auch die anderen, von Herzlichkeit und Gastfreundschaft geprägt. Jedoch fühlt es sich für uns komisch an gefragt zu werden, ob wir gerne ins Fußballstadion gehen, wenn wir wissen, dass es für Frauen im Iran illegal ist.

Wir könnten die Erzählungen von wunderbaren Begegnungen endlos fortsetzen, so viel Gutes haben wir erlebt. Unsere Begeisterung für den Iran gilt vor allem den wunderbaren Menschen, die wir treffen durften!

Und nun noch ein paar zusammenhangslose Fotos aus dem Iran, die Martina gerne zeigen will. 😀

Eine Familie hat für uns persisch und vegetarisch gekocht.

Perserkatze auf Perserteppich!

Wegen der Hitze sind die Straßen mittags ganz schön leer.

Puppen im Museum – hier: einer der Shahs

Abends an der Tabiat-Brücke, Tehran

Im Innenhof einer Moschee in Esfahan

Persische Fensterkunst

Der höchste Windturm in Yazd – antike Klimatechnologie!

Alte Wasserspeicher in Yazd – die 4 Windtürme dienen der Kühlung.

Gebetstempel der AnhängerInnen des Zoroastrismus (Religion)

Vorne: Wasserspeicher, hinten: Turm der Stille (Bestattungsort der Zoroaster_innen)

Im Inneren eines Turms der Stille

Die große Moschee in Mashhad

An der Grenze zu Turkmenistan

 

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