In letzter Zeit erreichten mich einige Nachrichten, was ich gerade so mache. Hier ein kleiner Einblick zum Unterwegs sein in Zeiten von Corona:
25. Januar – Bangkok: Gemeinsam mit tausenden Menschen aus der ganzen Welt feiere ich sorglos das chinesische Neujahrsfest. Corona ist trotz der zahlreichen Chinesen die zum Neujahrsfest nach Thailand gekommen sind kein Thema.
27. Januar – Hua Hin: Eine Chinesin erzählt mir im Hostel sie kann nicht zurück nach Hause. Eigentlich wollte sie in den Urlaub für drei Wochen, jetzt muss sie wohl verlängern – sie kommt aus Wuhan. Den Namen dieser Stadt kennen mittlerweile die meisten. Die Maßnahmen wirken merkwürdig, die ganze Welt fragt sich, was da eigentlich bei den Chinesen los ist.
Die folgenden Wochen passiert eigentlich nicht so viel in Südostasien und Deutschland. Dann passiert plötzlich sehr viel…
Um den 05.März: Mich erreichen die ersten Witze über Klopapierkäufe. Gemeinsam mit Freund_innen aus Deutschland schüttel ich den Kopf. In Laos hört man nix von Corona. Die umliegenden Länder haben vereinzelt Fälle, Laos nicht. Alle wissen, dass die Zahlen nicht stimmen können. Trotzdem sind Politiker_innen und Reisende entspannt.
06. März: Eine Bekannte die in Thailand ist fragt mich nach der Stimmung in Laos. Das Projekt in dem sie gerade ist wird wohl schließen wegen Corona. In Laos kein Thema…
09. März: Vietnam ändert die Visabestimmungen. Für Deutsche ist es fast unmöglich einzureisen. Reisende ändern ihre Pläne und vermuten, dass in ein paar Wochen die Grenzen wieder offen sind, ein großer Teil des Landes lebt schließlich vom Tourismus. In Laos ist nix von der Krise zu spüren. Weitere Länder schließen Grenzen.
10. März: Die Bekannte entscheidet sich nach Laos zu reisen. In Restaurants wurde sie nun schon mehrfach ignoriert.
12. März: Ein anderer Bekannter bereist den Norden Vietnams und wurde von zahllosen Hotels abgelehnt. Er berichtet, dass die Stimmung sich ändert. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich.
13. März: Ich beantrage online ein Visum für Kambodscha um Laos bald zu verlassen. Es gibt zwar auch ein günstigeres Visum an der Grenze, aber darauf will ich mich gerade nicht mehr verlassen. Weltweit schließen weitere Länder ihre Grenzen, man kommt kaum noch hinterher.
14. März: Die Grenze von Kambodscha wird in 3 Tagen für Deutsche geschlossen. Mein Visum für Laos läuft in 5 Tagen aus. Die Länder drum herum riegeln sich ab. Ich will nix mehr über Klopapier hören, ich habe ganz andere Sorgen.
16. März: Ich reise nach Kambodscha ein. Ein neues Land bedeutet ein neues Visum, 30 Tage sicheren Aufenthaltsstatus und Zeit zum Nachdenken. Erstmal bin ich erleichtert nicht ohne Aufenthaltsstatus in Laos festzuhängen. In Kambodscha ist die Stimmung gut. Kinder winken mir vom Straßenrand zu, Einheimische sind freundlich, Corona ist kein Thema. Ich atme auf. Meine Bekannte aus Thailand ist in Laos angekommen und ebenfalls froh 30 Tage Aufenthaltsstatus zu haben.
17. März: Drei Hotels lehnen mich ab. Ich bin außerhalb der Touristädte und habe wenig Auswahl. Als mich das 4. aufnimmt bin ich erleichtert. Vor Benutzung des Geldautomaten wird mir Fensterreiniger auf die Hände gesprüht. Die lokale Bevölkerung darf den Geldautomaten einfach so benutzten. Mir wird klar, weiterreisen außerhalb der Touristädte geht nicht. Ich treffe die Entscheidung mein Motorrad möglichst schnell zu verkaufen um flexibler zu sein und evtl. schnell raus fliegen zu können. Indonesien und Laos sind die einzigen Länder in der Region, die noch keine Grenzschließungen angeordnet haben. Als ich bei Facebook andere Reisende nach ähnlichen Erfahrungen frage berichtet nur eine weitere Person ähnliches. Ich bekomme zusätzlich eine Nachricht, man will keine Deutschen im Land haben. Meine Laune sinkt, ein komisches Gefühl macht sich in meinen Bauch breit.
Abends: Das Auswärtige Amt spricht eine weltweite Reisewarnung aus. Laut Versicherungsvertrag verfällt meine Krankenversicherung 14 Tage nach Aussprechen einer formellen Reisewarnung.
18. März: Indonesien gibt die Grenzschließung bekannt. Mittlerweile ist Panik unter Reisenden das vorherrschende Gefühl. Ich versuche mich nicht anstecken zu lassen. So will ich nicht weiterreisen. Alles was mir am Reisen Freude macht (Kontakt mit Locals und Reisenden, Entdecken können, Entscheidungsfreiheit,…) gibt es nicht mehr. Dafür ist dieses schlechte Gefühl mein neuer Reisebegleiter geworden. Ich checke Flüge und weis nicht mehr, welche Verbindungen für Deutsche überhaupt noch offen sind. Sorgen über geschlosse Fitnessstudios erscheinen mir erstrebenswert. Sicherer Aufenthaltsstatus, echte Supermärkte, medizinische Versorgung und das Wissen wo man nächste Woche schläft klingen gerade deutlich attraktiver als die große weite Welt, die es so momentan auch nicht mehr gibt. Weitere Reisende in Kambodscha erzählen von Ausweisungen in Hotels, meistens außerhalb der Touristenzentren. Gleichzeitig senken zahllose Unterkünfte ihre Preise, da die Buchungen zurückgehen. Die ersten Läden sind wohl schon geschlossen. Eine Stunde Massage für 3$. Die Massagesalons sind menschenleer, angefasst werden ist gerade unbeliebt. Wer auf Touris angewiesen ist, ist weiterhin unfassbar nett. Ich entscheide bis zum Abflug in Siem Reap zu bleiben. Die Stadt besteht nur aus Angeboten für Tourist_innen und hier sehe ich die besten Chancen immer eine Unterkunft und Verpflegung zu finden.
Die Regierung macht Stimmung gegen Ausländer_innen und berichtet ausschließlich von erkrankten Ausländern. Die Schließung von Schulen in ganz Kambodscha wird auf einen kanadischen Lehrer mit Corona geschoben.
19.März: Laos gibt neue Visa-Bedingungen bekannt. Meine Bekannte ist zurück in Thailand. Die deutsche Botschaft in Kambodscha schickt eine Mail mit dem Rat auszureisen. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass nur eingeschränkte konsularische Betreuung möglich ist und für Kambodscha keine Rückholflüge geplant sind.
Ich buche meinen Rückflug nach Deutschland für den nächstmöglichen Termin, den 26.03. Meine Bekannte in Thailand berichtet mir freudig, dass sie ebenfalls einen Flug für das Datum bekommen hat.
Einige Läden die gestern noch geöffnet waren sind heute schon zu. Ich verbringe schon lange viel zu viel Zeit am Handy. Der Kopf reist seit Tagen nicht mehr mit mir.
20. März: Mein Flug wird gecancelt. Ich buche schnell einen neuen für den 27. Die deutsche Botschaft in Kambodscha schickt eine zweite Mail explizit an Touris mit dringender Aufforderung schnellstmöglich auszureisen. Transit über Bangkok ist faktisch nicht mehr möglich (Gesundheitszertifikat vom staatlich Krankenhaus wird verlangt). Vorgestern war es schwierig Flüge aus Kambodscha zu finden, heute ist es fast unmöglich. Meine Bekannte in Thailand bucht ein Hotel in der Nähe es Emirates-Büros in Bangkok, nur für den Fall… Ich beneide alle, die es noch nach Thailand geschafft haben.
21. März: In Bangkok schließen bald alle Restaurants, außer für Take-Away. Ich habe Angst, dass Kambodscha nachzieht und ich Probleme habe Essen zu bekommen. Zum Glück bin ich nicht in Thailand.
Vietnam lässt keine Flüge mehr rein. Mein Flug hat nur eine technische Zwischenlandung, niemand würde das Flugzeug verlassen. Ich habe keine Ahnung ob mein Flug betroffen ist. Airlines sind nicht mehr erreichbar, Menschen sehen erst am Flughafen, dass ihr Flug gestrichen wurde.
Emirates verkündet den Passagierverkehr in wenigen Tagen auszusetzen. Die Panik wächst mit jeder Nachricht. Es gibt kaum noch Wege nach Europa. Der Flug meiner Bekannten in Thailand wird gecancelt.
Ich verkaufe endlich mein Motorrad, dass mittlerweile nicht mehr an geht. Außerhalb des Touristenzentrums wollen die Menschen nicht mit mir reden. Sie haben Angst. Vor mir! Das ungute Bauchgefühl wird stärker. Manchmal überwältigt es mich, meistens kann ich es in eine Ecke drängen. Die Meditation letzten Monat war wohl das beste, was mir vor dieser Krise passieren konnte.
Ich gehe ab jetzt jeden Tag 1-2 Mal ins gleiche Restaurant in der Hoffnung, dass es dann noch etwas offen bleibt. Viele Ecken der sonst belebten Stadt sind dunkel.
22. März: Etihad verkündet den Passagierverkehr in wenigen Tagen auszusetzen. Ich habe absolut keine Lust mehr auf Menschen. Sie stressen mich alle und ich versuche mich nicht von der Gruppenpanik anstecken zu lassen – fällt mir schwer, dann bin ich lieber allein. Gut gemeinte Ratschläge wie mir Vorräte zu kaufen sind angesichts der hiesigen „Supermärkte“ und fehlenden Küche nutzlos. Kekse, Nüsschen und Erfrischungsgetränke sind irgendwie kein echtes Essen.
23. März: Kein Trasit mehr durch Taiwan. Die Botschaft rät über China zu fliegen. Ich verstecke mich im fast menschenleeren Ankor Wat. In den letzten Tage hab ich die schlechte Angewohnheit entwickelt jede Stunde meinen Flugstatus zu checken. Von den morgendlichen stundenlangen Recherchen im Bett über die neuen Schreckensnachrichten ganz zu schweigen. Meine Bekannte hat einen Flug aus Thailand raus gefunden. 1500€. Das Kreditkartenlimit muss noch schnell geändert werde. Egal, hauptsache weg. Wäre ich doch bloß in Thailand
Im Hostel bittet man mich in einen anderen Schlafsaal umzuziehen. Wegen zu wenig Buchungen lohnt es nicht mehr in zwei Räumen die Klimaanlage an zu haben. Zwei andere Hostels des gleichen Besitzers schließen heute. Ich frage mal nach, wie viele Buchungen es noch gibt. 18 Buchungen für die folgende Nacht, das Hostel hat 76 Betten. Neue Buchungen kommen nicht mehr. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es schließen muss. Mein Abendessen war zu scharf, ich putze mir auf der Straße die Nase. Leute schauen mich an, als wäre ich der Sensenmann persönlich. Ich geh schnell zurück in die Unterkunft. Gute Nachrichten: In Deutschland ist endlich wieder Klopapier verfügbar, die Leute haben sich wohl eingedeckt.
24. März
Morgens: Der Flughafen in Siem Reap schließt ohne Vorankündigung. Online werden Flüge angezeigt die schon nicht mehr stattfinden. Die Botschaft rät dazu keine neuen Flüge mehr zu buchen. China Airways wird den Flugverkehr nach Europa wohl aussetzen. Die Gefahr irgendwo im Transit hängen zu bleiben ist zu groß. Es wird versucht Kambodscha auf die Rückholprogramm-Liste zu bekommen. Meine Flugverbindung hat die Botschaft nie erwähnt. Wissen sie etwas das ich nicht weiß? Fällt der Flug eh aus? Folgt Qatar Airways den anderen Airlines? Das Gefühl im Bauch wächst mit der Unsicherheit.
Mittags: Es wird in sozialen Medien geraten nach China zu reisen. Dort wartet Quarantäne im Hotel auf alle Einreisenden. Passagierflüge nach Europa hören wohl in wenigen Tagen auf. Es gibt jedoch Cargo-Flüge nach Europa die immer einige Passagiere mitnehmen. Zur Zeit vielleicht die beste Möglichkeit.
Wieder Flucht in die Tempel. Statt zu Erkunden genieße ich einfach die Ruhe. Mein Flug steht noch, mehr als warten und hoffen bleibt mir nicht.
Abends: Mich erreicht das Gerücht die Regierung diskutiere eine Ausgangssperre. Da Thailand bereits den Notstand ausgerufen hat wird das Gerücht wohl stimmen. Die französische Botschaft ruft alle Franzosen dazu auf in die Hauptstadt zu gehen, von der deutschen Botschaft kommt nix.
Später Abend: Zurück in der Stadt buche ich sofort einen Bus nach Phnom Penh. Da ich einen Roller vom Touribüro gegenüber gemietet habe macht der Besitzer den Laden extra für mich auf. Eigentlich hat er seit drei Tagen wegen fehlender Kundschaft geschlossen. Ein Busunternehmen das er anruft fährt nicht mehr, beim zweiten hat er Glück. Morgen fahre ich in die Hauptstadt. Die französische Botschaft hat für den 26.03. einen Flug für die Franzosen organisiert. Meine Zimmernachbarin schwankt zwischen Freude, Tränen der Erleichterung und Angst nicht schnell genug auf die Mail zu antworten. Die kambodschanischen Inseln werden von der Fähre ab morgen nicht mehr angefahren.
Und am 25. März? Keine Ahnung, wer weiß denn heute schon was morgen kommt? Ich kann es kaum glauben, dass mein Flug noch besteht, aber irgendwer muss ja den letzten Flieger erwischen. Bis zu dem Moment wird wohl das Bauchgefühl mit mir reisen.
Klingt vermutlich alles ziemlich schrecklich und das ist es auch. Ich versuche das Beste draus zu machen und den Kopf nicht zu verlieren. Ein Blick auf die geschlossenen Geschäfte rückt meine Situation in ein neues Licht: Den Menschen hier bricht das gesamte Einkommen weg. Es gibt kein soziales Sicherungssystem, dass sich um die Menschen kümmert denen nun das Geld für Essen fehlt. Auch ist es schwer Kontakt zu vermeiden, wenn viele Menschen auf engstem Raum zusammenleben. Und Hoffnungen wie in Deutschland, die Gesundheitssysteme durch die Maßnahmen etwas zu schonen gibt es hier nicht. Dafür bräuchte man ein funktionierendes Gesundheitssystem. Ich habe immerhin noch Hoffnung auf einen Flug nach Hause, die Menschen hier müssen bleiben. Aber immerhin hat hier keiner Sorgen wegen Klopapier, Poduschen sind der asiatische Standard. Sofern man Wasser hat…