Auf meinem Weg zur Reisepause in der Ukraine führte mein Flug mich über Minsk, die Hauptstadt Weißrusslands (offiziell: Republik Belarus). Die Zwischenlandung weitete ich etwas aus, um etwa zwei Tage vor Ort zu haben. Direkt beim Aussteigen aus dem Flughafenbus überkam mich das Gefühl, das wir in Kasachstan schon hatten: „Ich bin zurück in Europa, das sieht ja aus wie Zuhause!“ Das Gefühl hielt nur kurz an – in der ersten Metrostation die ich betrat steht eine Säule auf der Hammer und Sichel thronen. Doch noch nicht daheim… Was das Angebot an hippen Cafés, coolen Bars und vegetarischen Restaurants angeht, kann Minsk aber durchaus mit Münster mithalten!
Am ersten Abend erkundete ich nur das Stadtviertel rund um mein Hostel. Das Gefühl ganz nah an zu Hause zu sein wurde nun doch wieder stärker angesichts der zahllosen Cafés und Bars voller junger Menschen. Am zweiten Tag schloss ich mich dann einer gratis Stadtführung an. Mit den sich daraus ergebenden neuen Bekanntschaften war ich noch bis zum Abend unterwegs . Gemeinsam schauten wir uns das „Great Patriotic War Museum“ an, welches ganz oben auf meiner Sightseeing-Liste stand. Mit dem großen vaterländischen Krieg ist der Krieg an der Ostfront des zweiten Weltkrieges gemeint. Also der Teil des WKII, in dem die ehemalige UdSSR involviert war. Für einige Besucher_innen ist es das beste Museum dieser Art, für andere einfach Sowjet-Propaganda. Ich selbst bin hin und her gerissen, wie ich es finden soll. Einige Dinge sind sehr gut aufgearbeitet und auch optisch toll dargestellt (z.B. wurden einige Landschaften der Kriegschauplätze nachgebaut), so dass es sehr eindrücklich ist. Andrerseits ist es auch sehr viel Propaganda und man bekommt leicht das Gefühl, die UdSSR hätte Nazi-Deutschland im Alleingang besiegt. Dinge die nicht in diese Geschichtserzählung passen (z.B. die Rolle von Frankreich, USA und GB oder der Hitler-Stalin-Pakt), wurden nur ganz unauffällig am Rande erwähnt.
Auf jeden Fall hat sich der Besuch gelohnt. Es war sehr eindrucksvoll auf verschiedene Art und Weise sowie auch beklemmend.
Gegen Abend hat sich leider meine kasachische Vergiftung wieder zurückgemeldet, die mich noch bis in die Ukraine verfolgt hat, so dass ich weniger von Minsk hatte als erhofft.
Doch mein Fazit von der kurzen Stippvisite: Mit den vereinfachten Einreisebedingungen lohnt sich Minsk als Städtetrip und war überraschend einfach zu bereisen. Da Belarus oft als letzte Diktatur Europas bezeichnet wird (Demokratieindex 2018 Platz 137 von 167; Pressefreiheitsindex 2019 153 von 180), hatte ich irgendwie viel grau, bedrückte Stimmung und kaum Leben auf der Straße erwartet. Ich war überrascht eine junge, sehr westliche und lebendige Stadt vorzufinden. Zu Politik und Freiheit der Menschen vor Ort, sowie dem Leben außerhalb der Hauptstadt kann ich natürlich nach so einem kurzen Besuch nichts sagen.