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Indien – Der Norden (Svenja)

Die Vorfreude war groß! Endlich ging es zurück in das Land, welches vor 8 Jahren während eines Freiwilligendienstes meine Reiselust geweckt, meine kleine Welt auf den Kopf gestellt und meinen Lebensweg so beeinflusst hat. Diesmal stand statt Aushelfen und Lernen im Kindergarten im Süden eine Rundreise durch den Norden mit meinem Bruder und Vater auf dem Programm. Doch irgendwie lief es nicht ganz so wie erwartet…

Nachdem Martina und ich in Usbekistan ausversehen in einem illegalen Geldtransporter mitgefahren sind, dachte ich so schnell schockt mich erstmal nichts mehr und nach über 35 bereisten Ländern dachte ich, ich wäre gegen die Listen und Tücken des Reisens gewappnet – bis ich dann zurück nach Indien kam.

Mein Bruder, Vater und ich entschieden uns für einen Fahrer für unsere gemeinsame Zeit in Indien. Das geschah mehr aus der Not heraus, Züge waren ausgebucht und wir wollten unsere kostbare Zeit nicht in Bussen verbringen. Beim Buchen sind wir leider auf eine der zahllosen betrügerischen Agenturen reingefallen und unsere Reise verlief nicht so wie erhofft. Ehrlich wie wir sind (und mit ein paar Hintergedanken alle Unterlagen später bei meiner Bank einreichen zu können) suchten wir während der gesamten Rundtour immer wieder den Kontakt zur Agentur per Mail. Natürlich erhielten wir nie eine Reaktion. So stand nach Abschluss der Rundreise der Gang zur Polizei in Delhi auf dem Programm um Anzeige zu erstatten und anschließend über meine Bank eine Rücküberweisung in Gang bringen zu können. Nachdem ein Polizist einen Blick auf unsere Rechnung geworfen hat, hing er sofort am Telefon und wenige Minuten später kam ein Mann in Zivil, der sich als Zuständiger vorstellte. In einem Nebenzimmer erzählte ich unsere Geschichte und unser Anliegen nochmal (später stellte sich raus, das der echte Polizist kein Englisch kann und meine Schilderung nicht verstanden hat).
Die erste Reaktion war: Wenn wir 50-100€ zurück bekommen sollten wir uns glücklich schätzen. Er rechnet uns auch gerne vor, dass die Agentur nicht gelogen hat. Als wir auf die Anzeige bestanden, erzählte er uns wie sinnlos das wäre. Wir müssten dann in 1-2 Jahren wieder nach Indien kommen zum Gerichtsverfahren. Uns egal, was aus unserer Anzeige wird, wir brauchen nur den Zettel mit der Bestätigung der Anzeige für die Bank. Wir hatten schon ein ungutes Gefühl und nach mittlerweile drei Wochen Indien sind wir fest davon ausgegangen, dass wir wieder über den Tisch gezogen werden sollen. Es ging so weiter: Wir bestanden auf unsere Anzeige und er versuchte sie uns auszureden, nur die Geldbeträge von der Agentur wurden von ganz alleine immer höher, bis wir bei 500€ waren (zwischendurch telefonierte er regelmäßig, laut Anzeige auf seinem Handydisplay mit der Agentur). Wir hatten ausgerechnet, was diese Rundreise wert wäre und hatten bei der Reiseagentur vorher per Mail 1000€ zurückgefordert, das teilten wir auch dem Menschen auf der Polizeistation mit und stiegen nun doch in die Verhandlungen um eine Erstattung ein. Während unsere Verhandlungen, die wir eigentlich garnicht führen wollten, wurde der Raum immer voller. Als wir bei 1000€ Rückzahlung in cash, auszuhändigen innerhalb der nächsten 30 Minuten, angekommen waren, hielten sich bereits 5 Männer im Raum auf, die gespannt den Verhandlungen lauschten und wohl auf ihr Stückchen vom Kuchen/Schmiergeld warteten.
Sobald wir unsere 1000€ in den Händen hielten (für viele Menschen in Indien ein Jahresgehalt; unser Fahrer hat 75€ Lohn für die zwei Wochen bekommen), wurde der Mann im T-Shirt freundlich und fing an zu plaudern. Die anwesenden Männer stießen mit Tee auf den abgeschlossenen Deal an, uns wurde berichtet, dass jeder im Raum nun Geld von der Agentur bekommt und man erzählte, dass noch nie eine so hohe Summe über den Tisch gegangen ist. Irgendwie war die harte Verhandlungsstimmung nun in einen netten Plausch ungeschlagen, von der Agentur selbst war aber niemand anwesend. Völlig überfordert von diesem Umschwung verließen wir die Polizeistation schnell.
Unser Besuch dort hat etwa zwei Stunden und zahllose Nerven gekostet, auch wenn es hier vielleicht einfach klingt.
Draußen vor der Tür begriffen wir erst, was da gerade passiert war. Obwohl wir über 15x gesagt hatten, wir wollen Anzeige erstatten, war das für den Polizisten nie eine Option gewesen! Schmiergeld gibt es nur, wenn ein Deal zustande kommt. Auch die Tatsache, dass da mitten im Polizeirevier eine große Summe Bargeld überreicht wurde, begriffen wir erst dann so richtig. Wir sind Teil des korrupten/betrügerischen Systems geworden, dass wir eigentlich anzeigen wollten!

Mit vollen Taschen gönnten wir uns dann erstmal einen Eiskaffee…

Zur Rundreise selbst: Wenn man von Indien hört oder Bilder sieht, geht es meistens um den Norden (der Bundesstaat Rajasthan und die Stadt Agra um genau zu sein). In diesem Gebiet finden sich all die prachtvollen Paläste und Festungen, die natürlich auch Teil unserer Rundreise waren. Da es viel zu viel zu berichten gibt, hier nur zwei besondere Einblicke und weiter unten viele Fotos.

Zur klassischen Rajasthan-Rundreise gehört auch eine Kamelsafari in die Wüste. Mein Vater meinte vorher noch hoffnungsvoll, vielleicht gibt es für ihn ein kleines Kamel – natürlich bekam er das größte von allen 😀 Der Ritt durch die Wüste war zwar ganz lustig, aber das besondere Ereignis folgte erst später: Eine Nacht unter freiem Himmel! Wir waren etwa sieben Leute, die Lager der verschiedenen Gruppen waren aber weit genug auseinander, um sich doch ganz ungestört zu fühlen. Nachts sinken die Temperaturen deutlich ab und zum ersten Mal in Indien war mir ein bisschen kalt. Die Nacht selbst war garnicht so aufregend, aber am nächsten Morgen waren wir live dabei, wie die Umgebung zum Leben erwachte. Vögel begannen zu singen, Kühe zogen durch die Sanddünen, der weit entfernte Straßenlärm war wieder da und die Sonne tauchte am Horizont auf – ein einmaliges Erlebnis.

Unsere Nacht in der Wüste

Eine andere Besonderheit der Rundreise: Das Reisen mit meinem Bruder und Vater ist anders, als mit Martina oder Freund_innen und hat mir ganz neue Perspektiven auf Indien gegeben. Die beiden sehen die Welt durch eine andere Brille als ich, was wohl zum Großteil durch die sehr verschiedenen Berufe kommt. Wo ich einen Metallbehälter sehe, erkennt mein Vater die Herstellung von Acetylen. Das Einzige was ihn während der gesamten Zeit in Indien geschockt hat, wäre mir nichtmal aufgefallen. Beim Anblick vermeintlich antiker Türen etc. stellte mein Bruder trocken mit Blick auf die Metallarbeiten fest, dass das ganze höchstens 50 Jahre alt ist, die verwendete Technik gab es vorher nicht. Viele Dinge, die an mir einfach vorbei ziehen würden, fallen den beiden auf und ermöglichen auch mir andere Einblicke in Straßenszenen, Bauwerke und Lebensrealität hier in Indien. Ein spannender Perspektivwechsel!

Die Herstellung von Acetylen. Für mich unauffällig. Für Leute die verstehen was das ist lebensgefährlich.

Nun ein Fazit zum Norden Indiens: Ich hatte leider sehr oft das Gefühl als wandelndes Portemonnaie gesehen zu werden. Bei fast jeder Möglichkeit versuchte man möglichst viel Geld aus unserem Unwissen, unserer Höflichkeit oder unseren Bedürfnissen (Hunger, Kaffee,…) rauszuschlagen. Das Preise für Tourist_innen höher sind meine ich damit garnicht, das habe ich erwartet und kenne es auch aus anderen Ländern mit ähnlichen Lebensrealitäten wie Indien (z.b. Nepal). Es war eher so, dass wir gefühlt am laufenden Band angelogen wurden, lehnten wir etwas ab wurden wir teilweise beschimpft und es gab so gut wie keinen Kontakt zu Einheimischen, bei dem es nicht irgendwann um Geld ging. So wurde es sogar anstrengend nach dem Weg zu fragen, am Straßenrand stehen zu bleiben oder im Supermarkt einzukaufen (aufgedruckte Preise galten für uns nicht). In keinem der bereits besuchten Länder hatte ich so ein Gefühl, obwohl ich zum Großteil wirtschaftlich ärmere Länder besucht habe. Das Ganze wirft einen Schatten auf den für Touris sehr interessanten Norden Indiens. Für eine Rundreise bietet es sich trotzdem an, es gibt viel zu sehen und Indien ist unfassbar vielseitig!

Eigentlich sollte es nach der Rundreise nach Nepal gehen, da ich aber keine Lust auf Temperaturen unter 25 Grad habe und eine Rückreise von Nepal zurück nach Indien wegen des E-Visums einen Flug oder ein neues Visum bedeuten würde, ging es für mich kurzerhand Richtung Süden – nach Goa.
Ich schicke also sommerliche Grüße vom Strand ins vorweihnachtliche Deutschland!

Straßenszenen

Indien hat viel mehr als nur das Taj Mahal zu bieten

Die Jama Masjid Moschee in Delhi

Tagelöhner in Delhi warten auf Arbeit

Der Palast der Winde in Jaipur

Zwei der negativen Seiten Indiens: Umweltverschmutzung und Straßenhunde (die ich am liebsten alle adoptieren will)

Tempel in Udaipur

Eine der zahlreichen Festungen Rajasthans im Hintergrund

Verkauf von Götterstatuen kurz vor Diwali

Bei der Restaurantauswahl herrschte manchmal Uneinigkeit in der Gruppe – hier habe ich mich durchgesetzt 🙂

In Delhi lag unser Hotel in der Autoreparatur-Straße

Überall diese Touris…

Fridays for future – auch in Indien!

Sieht harmlos aus, am Ende sollte mein Vater aber 100$ zahlen für ein Gebet (das er gar nicht wollte).

Wir waren überall heiß begehrte Fotomotive

Dubai (Svenja)

Und wieder ein Ort, der nicht auf der Reise eingeplant war. Die Änderung der Route und das Solo-Reisen führ bei mir zu mehr Flügen als mir lieb ist, ermöglichte mir aber auch einen zwei-Tages Aufenthalt in Dubai auf dem Weg nach Indien.

Den ersten Tag verbrachte ich in der Dubai Mall, dem zweitgrößten Einkaufszentrum der Welt. Kaufen wollte ich natürlich nichts, aber ich bin ewig durch die Mall spaziert und konnte garnicht fassen, was es dort alles gibt und wie groß sie ist! Neben dem Wasserfall hat mich das sich über drei Etagen erstreckende Aquarium am meisten begeistert. Und das war nur in der Mall! Direkt vor der Tür steht der Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt. Die Höhe und die Eintrittspreise (Ticket zwischen 35€ und 125€ je nach Tageszeit und besuchter Etage) haben mich jedoch von einem Besuch abgehalten. Zwischen Mall und Burj Khalifa befindet sich ein weiteres touristisches Highlight: die Dubai Fountain. Dabei handelt es sich um den größten Springbrunnen der Welt mit Choreographie. Ihr merkt, ich bin im Land der Superlative gelandet! Ab 18 Uhr gibt es alle 30 Minuten eine Show mit zur Musik passenden Fontänen, natürlich wechseln die Shows und das Burji Khalifa wird manchmal auch passend beleuchtet. Da es so viel zu sehen gibt, habe ich mir direkt mehrfach die Fontänen angeschaut und war jedes Mal beeindruckt!

Am zweiten Tag hatte ich dann aber genug von klimatisierten Shoppingsmalls und wollte Sonne tanken (der Schlafsaal im Hostel wurde zeitweise auch auf gemütliche 15Grad runter gekühlt). Dubai hat viele private Strände aber auch einige öffentliche, die man gut mit der Metro erreichen kann. Ich hing also ganz entspannt am Strand rum und habe das Meer genossen, welches von der Temperatur eher an eine Badewanne erinnert hat. Wer denkt am Strand ist es vorbei mit all dem Prunk und Protz irrt sich jedoch gewaltig, direkt an der Strandpromenade stehen zahllose Wolkenkratzer. Am Abend des zweiten Tages ging es dann weiter Richtung Indien.

Schon vorab hörte ich mir Witze an, dass ich mit dem Zwischenstop in Dubai den Kulturschock in Indien perfekt mache und dass ich so garnicht nach Dubai passe. Und so war es auch 🙂
Die meiste Zeit hatte ich das Gefühl außversehen im Schlafanzug unterwegs zu sein, so unpassend fühlte ich mich angezogen. Auch fand ich den ganzen Prunk um mich herum zwar beeindruckend, aber irgendwie auch nutzlos und leblos. Die Stadt hat mich eher erschlagen mit so viel Wolkenkratzern und so wenig grün, als begeistert. Trotzdem war es natürlich spannend das alles mal zu sehen und bestimmt gibt es noch viel mehr zu sehen, wenn man das nötige Kleingeld mitbringt.

Aquarium in der Mall

Shopwände/Aquarium

Wasserfall in der Mall

Das untere Ende des Wasserfalls – Entchen!

Eislaufbahn in der Mall

Die größte Werbetafel der Welt

Burji Khalifa

Burji Khalifa bei Nacht

Öffentlicher Strand

Wolkenkratzer am Strand

Pool im Gebäude von meinem Hostel 😀

Bei der künstlichen Befruchtung darf man das Geschlecht aussuchen

Nachts werden die Rollbänder in der Metrostation ausgeschaltet um Energie zu sparen – angesichts der sonstigen Verschwendung konnte ich diese Sparmaßnahme nicht so ernst nehmen

Minsk (Svenja)

Auf meinem Weg zur Reisepause in der Ukraine führte mein Flug mich über Minsk, die Hauptstadt Weißrusslands (offiziell: Republik Belarus). Die Zwischenlandung weitete ich etwas aus, um etwa zwei Tage vor Ort zu haben. Direkt beim Aussteigen aus dem Flughafenbus überkam mich das Gefühl, das wir in Kasachstan schon hatten: „Ich bin zurück in Europa, das sieht ja aus wie Zuhause!“ Das Gefühl hielt nur kurz an – in der ersten Metrostation die ich betrat steht eine Säule auf der Hammer und Sichel thronen. Doch noch nicht daheim… Was das Angebot an hippen Cafés, coolen Bars und vegetarischen Restaurants angeht, kann Minsk aber durchaus mit Münster mithalten!

Am ersten Abend erkundete ich nur das Stadtviertel rund um mein Hostel. Das Gefühl ganz nah an zu Hause zu sein wurde nun doch wieder stärker angesichts der zahllosen Cafés und Bars voller junger Menschen. Am zweiten Tag schloss ich mich dann einer gratis Stadtführung an. Mit den sich daraus ergebenden neuen Bekanntschaften war ich noch bis zum Abend unterwegs . Gemeinsam schauten wir uns das „Great Patriotic War Museum“ an, welches ganz oben auf meiner Sightseeing-Liste stand. Mit dem großen vaterländischen Krieg ist der Krieg an der Ostfront des zweiten Weltkrieges gemeint. Also der Teil des WKII, in dem die ehemalige UdSSR involviert war. Für einige Besucher_innen ist es das beste Museum dieser Art, für andere einfach Sowjet-Propaganda. Ich selbst bin hin und her gerissen, wie ich es finden soll. Einige Dinge sind sehr gut aufgearbeitet und auch optisch toll dargestellt (z.B. wurden einige Landschaften der Kriegschauplätze nachgebaut), so dass es sehr eindrücklich ist. Andrerseits ist es auch sehr viel Propaganda und man bekommt leicht das Gefühl, die UdSSR hätte Nazi-Deutschland im Alleingang besiegt. Dinge die nicht in diese Geschichtserzählung passen (z.B. die Rolle von Frankreich, USA und GB oder der Hitler-Stalin-Pakt), wurden nur ganz unauffällig am Rande erwähnt.
Auf jeden Fall hat sich der Besuch gelohnt. Es war sehr eindrucksvoll auf verschiedene Art und Weise sowie auch beklemmend.
Gegen Abend hat sich leider meine kasachische Vergiftung wieder zurückgemeldet, die mich noch bis in die Ukraine verfolgt hat, so dass ich weniger von Minsk hatte als erhofft.

Doch mein Fazit von der kurzen Stippvisite: Mit den vereinfachten Einreisebedingungen lohnt sich Minsk als Städtetrip und war überraschend einfach zu bereisen. Da Belarus oft als letzte Diktatur Europas bezeichnet wird (Demokratieindex 2018 Platz 137 von 167; Pressefreiheitsindex 2019 153 von 180), hatte ich irgendwie viel grau, bedrückte Stimmung und kaum Leben auf der Straße erwartet. Ich war überrascht eine junge, sehr westliche und lebendige Stadt vorzufinden. Zu Politik und Freiheit der Menschen vor Ort, sowie dem Leben außerhalb der Hauptstadt kann ich natürlich nach so einem kurzen Besuch nichts sagen.

Metro am Hauptbahnhof

Minsk ist überraschend grün!

Belarusian State Museum of the History of the Great Patriotic War

Im Museum

Kommunistische Architektur trifft kapitalistische Esskultur