Indien – Der Süden (Svenja)

Und wieder ist es passiert: Ich habe mich in Indien verliebt! Die Begeisterung von vor acht Jahren ist zurück, der nächste Flug nach Indien ist gebucht und die Vorfreude wächst 🙂
Nach den Erlebnissen im Norden hatte ich nicht damit gerechnet mich wieder so für das Land begeistern zu können und nun weiß ich garnicht, wie ich die wunderbaren sechs Wochen im Süden in Worte fassen soll.

Ein Teil meines Enthusiasmus liegt wohl auch darin begründet, dass ich, nach der langen Reisepause in der Ukraine, den City-Trips und der für mich doch eher ungewöhnlichen Art des Reisens im Norden Indiens, nun endlich wieder als Backpackerin unterwegs war. Mein Reisen war geprägt durch spannende Begegnungen, tolles Essen, Sonnenschein, intensive Gespräche, einfaches Leben voller Besonderheiten, Ruhe im indischen Chaos und wunderschöne Landschaften.

Direkt bei meiner Ankunft in Goa habe ich gemerkt: Das ist ein ganz anderes Indien als der Norden oder die Welt meines Freiwilligendienstes! An gefühlt jeder Ecke steht eine Kirche oder zumindest eine Marienstatue, Pensionen heißen nach ihren Besitzer_innen „Rodriguez“, „Noel“ oder haben ähnliche portugiesische Namen. Die Kolonialgeschichte und langjährige Dominanz der Portugiesen in der Region ist sehr präsent und führt zu einer  Mischung verschiedener Kulturen, die durch westliche Hippies und russische Pauschaltourist_innen nochmal so richtig durcheinander gebracht wird. Goa ist im Westen für Partys, Strand, Drogen und Musik bekannt, doch auch Inder_innen der umliegenden Bundesstaaten kommen nach Goa um mehr Freiheit und günstiges Bier zu genießen. Insgesamt eine Mischung, wie es sie wohl sonst nirgends auf der Welt gibt.

Ich begann meine Reise in Goas Hauptstadt Panjim und Umgebung. Der eben beschriebene Mix der Kulturen ermöglichte es mir, durch die „Rua de Natal“ zu spazieren und portugiesische Fliesenkunst zu bestaunen, begleitet vom Duft indischer Curries sowie dem ständigen Gehupe der Rikshaws und Motorräder. Ich bin auf Kirchen gestoßen, die ich so in Indien nicht erwartet hätte und die wohl häufiger zum Beten besucht werden, als die meisten Kirchen in Deutschland.
Angefixt von meinen Farm-Erfahrungen in der Ukraine habe ich auch in Indien zwei Wochen in einem Projekt verbracht. Offiziell eine Mischung aus Restaurant, Farm, Öko-Hotel und Kunstgallerie. Im Endeffekt habe ich die meiste Arbeitszeit gekellnert oder an einem neuen Gästebungalow aus Matsch mitgebaut, doch neben der Arbeit gab es viel Zeit für Entspannung oder Gespräche mit dem sehr internationalen Team aus aller Welt. Die Arbeit im Restaurant hat mir wieder einmal gezeigt, wie deutsch ich doch bin! Bereits am ersten Abend hatte ich Ideen, wie man einige Arbeitsschritte effektiver hätte machen können. An Tag zwei im Restaurant stand ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch angesichts des für mich chaotischen „Systems“. Nach einigen weiteren Tagen konnte ich bereits Witze machen über das nicht-lineare System, welches wohl alle neuen Helfer_innen zum Verzweifeln bringt. Die zwei Wochen im Projekt haben mir auf jeden Fall geholfen wieder mehr in Indien anzukommen und einen Gang runter zu fahren. Manche meiner Ideen wirken rückblickend übrigens überhaupt nicht mehr effektiv, da alltägliche Besonderheiten wie Stromausfälle nicht mitgedachte waren…

Nach zwei Wochen erholsamen Arbeitens wurde es dann doch wieder Zeit den Rucksack zu packen (der zwischendurch von Schimmel befallen war) und in den Reisealltag zurückzukehren. Zu meiner Freude begleitete mich der indische Langzeit-Reisende Arpan, den ich im Hostel kennengelernt habe. Er veränderte das Reisen für mich grundlegend! Mit einem Mann zu reisen ist ganz anders als alleine oder mit einer Frau (das haben Martina und ich im Iran schon gemerkt). Und in Indien mit einem Inder zu reisen ist anders als mit meinem Bruder und Vater. Für mich wurden die Preise niedriger, für ihn wurde einiges teuerer. Niemand fragte mich mehr nach Selfies, dafür wurde er mal um Erlaubnis für ein Selfie mit mir gebeten. Speisekarten verloren ihre Geheimnisse, weil er mir alles erklären konnte. Doch am besten gefielen mir die Gespräche. Von „Wie läuft ein arrangiertes Date in Indien“ über „Machen alle Deutschen FKK?“ nach „Wie steht es um den Feminismus in Indien?“ bis zu „Wie ist das mit den Geflüchteten in Deutschland?“ war so ziemlich alles dabei. So ehrliche, wertschätzende Gespräche über Politik und kulturelle Unterschiede habe ich selten geführt. So war dann auch unser gemeinsames Reisen sehr geprägt von Tee/Kaffee trinken und stundenlangem Reden.

Bereist haben wir die Strände von Gokarna, Arambol sowie Umgebung und das verzauberte Hampi.
Hampi ist das Paradies für Kletterbegeisterte, Tempelliebhaber_innen, Geolog_innen und Faule. Die Landschaft ist geprägt von riesigen Felsbrocken, die in unmöglichen Formationen und Kombinationen aufeinander liegen. Dazwischen finden sich alte Tempelanlagen, die Abseits der wenigen bekannten Ruinen oft menschenleer und voller faszinierender Details sind. Wir haben uns ein „Motorrad“ gemietet und konnten so auch zum Schwimmen an den See inmitten dieser Märchenlandschaft fahren.
10 Tage haben wir in Hampi verbracht und der einzige Grund für unsere Weiterreise war, dass die Temperaturen unter 25 Grad gesunken sind, was mir nach so vielen Monaten Sommer einfach zu kalt war. Nach knapp drei gemeinsamen Wochen trennten sich unsere Wege, da ich als Weihnachtsüberraschung für die Feiertage heim geflogen bin (und so doch Temperaturen unter 25 Grad ausgesetzt war).

Ein kurzes Fazit zum südlicheren Indien: Eine Reise lohnt auf jeden Fall oder auch 2-3! Der Süden bietet zwar nicht die architektonischen Highlights des Nordens, dafür aber mehr Raum für Begegnungen, viele Überraschungen, mehr Backpacking und noch besseres Essen! Ich hatte das Glück, durch meinen Reisegefährten Arpan all meine Fragen beantwortet zu bekommen, das Reisen in Indien nochmal anders zu erleben und das Land ein bisschen durch seine Augen kennenzulernen.
Ich habe Indien verlassen, mit dem Gefühl noch viel mehr von diesem vielseitigen, bunten, leckeren, chaotischen, unbegreiflichen und faszinierenden Land sowie seinen Bewohner_innen sehen zu wollen. Mein Wunsch geht in Erfüllung: Heute geht mein Flieger nach Mumbai…

Alte portugiesische Kirchen

Auch im touristischen Goa war ich ein beliebtes Fotomotiv.

Das Projekt: Viel Kunst aus Naturmaterialien und 7-8 Hunde

Einer der touristischen Strände Goas: Arambol

Verzaubertes Hampi

Unser 2PS-Motorrad: Ging es bergauf musste eine Person absteigen und nebenher laufen

Der Strand von Gokarna

Selbst nach 2 Monaten in Indien begeistern mich die Besonderheiten des Alltag

Mit Reisegefährte Arpan

Eindrücke aus Kochin

Reisen mit dem Schlafbus und Nachtzug

Ein Gedanke zu „Indien – Der Süden (Svenja)

  1. Barbara Schonschor

    Hi Svenja,
    wie schön nach langer Zeit wieder von Dir zu hören. Den Link zum Bericht im November hatte ich nicht bekommen. Was soll ich sagen, Du machst es richtig, so viel von der Welt zu sehen. Ich war vor 16 Jahren in Goa und im Norden Indiens. Ich war auch so begeistert und weiß nicht, warum ich noch nicht wieder da war. Hampi muss ich unbedingt nachholen. Ich wünsche Dir noch viele schöne Erlebnisse, Spaß und Sonne!
    Liebe Grüße, Barbara

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